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Wiederaufnahme: Giuseppe Verdis „Don Carlo“ an der Oper Graz


Text: Monika Wogrolly / Living Culture; Fotos: Werner Kmetitsch
Am 13. April 2023 erlebte die unvergessliche Produktion „Don Carlo“ aus der Spielzeit 2019/20 mit Regisseurin Jetske Mijnssen und Aurelia Florian in der Rolle der Elisabeth sowie beeindruckenden Neubesetzungen ihr fulminantes Comeback. Musikalischer Leiter ist wiederum Roland Kluttig.

Die Wirkung dieser Oper mit ihrem auf lineare Strukturen und grafische Elemente konzentrierten Bühnenbild, Stühlen und Wänden, mobilen Tischen ist emotional bewegend, mithin erschütternd: Das Publikum war mit einem Schlag entrückt vom Alltagsgeschehen und in einem Sog familiärer Abgründe und Komplotte. Der Plot der Oper ist verstörend und kaum auszudenken: Don Carlo liebt Elisabeth. Elisabeth ist mit Carlos Vater verheiratet. Eboli liebt Carlo und ist jedoch die Geliebte des Königs. Den rettenden Halt findet Carlos Herz schließlich in den revolutionären Gedanken seines Freundes Posa, doch realisiert er zu spät, dass es keinen Ausweg geben kann. Das System der Kontrolle, das jeden einzelnen dazu zwingt, in einer Ambivalenz zwischen Schein und Wahrheit zu leben, übernimmt und radikalisiert Verdi in seiner Komposition: Aus einem manierierten Konversationston des Hofes bricht die individuelle psychische Befindlichkeit der Protagonisten und Protagonistinnen durch. Aufglimmendes Des-Dur verheißt eine leuchtende Zukunft, ehe gleich darauf die düsteren Klänge der Inquisition den drohenden Tod proklamieren. Und die Choreografie sowie die visuelle Handschrift der vier Akte sind buchstäblich eindringlich, hypnotisch und atemberaubend. Etwa als an das nahe Kriegsgeschehen gemahnende Menschen in ihrer Vulnerabilität auf an Prosektur- oder OP-Tische gemahnenden fahrbaren – fast hätte man meinen können: Altären präsentiert und „aufgetischt“ werden. Assoziationen mit dem Orgien-Mysterien-Theater von Aktionist Hermann Nitsch werden durch die Publikumsränge geraunt. Der Grazer Altbürgermeister Alfred Stingl spricht als Opernkenner von einer großartigen Operninszenierung und einer prachtvollen Stimme von „Don Carlo“ Otar Jorjikia. Am Ende fühlt man sich nach 3 Stunden 15 Minuten zugleich berauscht und gefordert von so viel Glanz und Konflikten, Blut und Emotion.

Musikalische Leitung: Roland Kluttig; Inszenierung: Jetske Mijnssen; Bühne: Gideon Davey; Kostüme: Dieuweke van Reij; Licht: Mark Van Denesse; Dramaturgie: Jörg Rieker/Marlene Hahn; Chor & Extrachor: Bernhard Schneider

Opernhaus Hauptbühne

Wiederaufnahme am 13. Apr 2023, 19 Uhr

Weitere Vorstellungen: 20., 23. & 30. Apr, 6. Mai 2023

 

www.oper-graz.com

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