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Der Bug des Schif­fes durch­schlägt die Wel­len auch bei Nacht


Text: Robert Her­wig Gas­ser; Fotos: Robert Gas­ser seni­or, Robert Her­wig Gas­ser
Eine Kul­tur­bot­schaft

Kri­se kann sich aus dem Alt­grie­chi­schen als Ent­schei­dung oder als mar­kan­ter Wen­de­punkt über­set­zen las­sen. Wir erle­ben im Moment eine welt­wei­te, trans­na­tio­na­le Kri­se, deren Aus­gang und Bedeu­tung uns noch nicht bewusst ist.

Leben wir in einer Welt, die sich im Auf­bruch befin­det? In einer Welt die sich in einer Rezes­si­on befin­det? In einer Welt deren Struk­tu­ren – men­schen­ge­schaf­fe­ne Struk­tu­ren — zusam­men­bre­chen? Wir wis­sen es nicht…

Sicher ist nur, dass vie­les anders sein wird. Muss nicht vie­les anders wer­den? Ist es nicht gut, dass alt­ein­ge­fah­re­ne, viel­leicht sogar sich bewäh­ren­de Sys­te­me zusam­men­bre­chen? Wir haben als Mensch­heit bereits so vie­le Umbrü­che, Auf­brü­che, Kri­sen und Wen­de­punk­te erlebt. Wir haben uns durch etli­che Revo­lu­tio­nen gekämpft. Solch ent­schei­den­de, ein­schnei­den­de Ereig­nis­se sind Teil einer Geschich­te die uns als Mensch und nicht zuletzt als Tier prägt. Wir kön­nen aus ihnen ler­nen, wir dür­fen aus ihnen ler­nen.

Der Bug des Schif­fes durch­schlägt die Wel­len auch bei Nacht. Der Bug hält den Kurs, einen Unbe­kann­ten, doch er hält ihn. Der Mast teilt den eisi­gen Sturm, des­sen Wucht Was­ser­trop­fen in das Holz treibt, wie vie­le tau­send klei­ne Nägel. Wer weiß, was sein wird, wenn sich die Son­ne aber­mals aus dem Hori­zont zwingt und jede Fins­ter­nis bis in die Tie­fe des toben­den — in die­ser hass­erfüll­ten Nacht doch so unbe­zwing­bar wir­ken­den — Oze­ans erlö­schen lässt. Wäh­rend das Schiff durch eine Unge­wiss­heit steu­ert, den Kurs sicher hal­tend, mit vol­ler Wucht die rei­ßen­den Wel­len zer­schlägt, weiß sein Steu­er­mann nicht, was sein wird, wenn die ers­ten Licht­strah­len die durch­näss­ten Plan­ken tref­fen, wenn alles in einem Augen­blick Far­be bekommt und Hoff­nung in sei­nem Her­zen zu pochen beginnt. Was wird dann sein? Wenn die Fins­ter­nis im Licht erlischt. Ein neu­er Tag. Eine Gele­gen­heit, nicht Unter­gang. Jah­res­zei­ten kom­men und gehen, Krie­ge kom­men und gehen, Umbrü­che kom­men und gehen, was bleibt, ist der Mensch und sein Schaf­fen.

Ich behaup­te, dass wir jene Pan­de­mie, die jeg­li­che wirt­schaft­li­che, gesell­schaft­li­che, poli­ti­sche und kul­tu­rel­le Zukunft in unbe­kann­tes Gewäs­ser steu­ert, als Neu­be­ginn sehen kön­nen, aus dem wir, als Mensch­heit, wenn wir es zulas­sen, Gewinn zie­hen kön­nen, denn der Bug des Schif­fes durch­schlägt die Wel­len auch bei Nacht.

 

Robert Gas­ser

Stu­dent an Karl-Fran­zens-Uni­ver­si­tät Graz

Seit 4 Jah­ren Redak­teur für Living Cul­tu­re

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