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Ein Strauss zum Abschied – Bewe­gen­des Abschieds­kon­zert von Oksa­na Lyniv an der Oper Graz


Text: Lukas Wogrol­ly; Fotos: Oli­ver Wolf
Ganz in weiß diri­gier­te die schei­den­de ukrai­ni­sche Chef­di­ri­gen­tin Oksa­na Lyniv die Gra­zer Phil­har­mo­ni­ker bei ihrem Abschieds­kon­zert. Ein auch wegen Coro­na ganz beson­de­rer Auf­tritt.

Es war in jedem Fall ein ganz beson­de­rer Abend in der Oper Graz. 30 Grad im Schat­ten, strah­len­der Son­nen­schein. Für mich ging es an die­sem Sams­tag­abend, dem letz­ten Sams­tag im Monat Juni, in die nur spär­lich besetz­te Oper Graz. Knapp drei­ßig Minu­ten vor Beginn bin ich im Logen­be­reich Halb­stock noch allein; die Loge muss erst auf­ge­sperrt wer­den. Wäh­rend des Kon­zerts sind dann alle Logen besetzt, der Abstand kann pro­blem­los ein­ge­hal­ten wer­den. Coro­nabe­dingt sind nur 100 Besu­che­rIn­nen zuge­las­sen. Das, was ursprüng­lich ein gro­ßes, viel besuch­tes Abschieds­kon­zert von Oksa­na Lyniv, der schei­den­den ukrai­ni­schen Chef­di­ri­gen­tin an der Oper Graz, wer­den hät­te sol­len, ist nun vor allem eines: Sehr spe­zi­ell. An gleich drei Aben­den en suite wird das­sel­be Pro­gramm gespielt, um mög­lichst vie­len Per­so­nen die Gele­gen­heit zu geben, dabei zu sein. In den Logen bei die­sem Kon­zert ist  die geschäfts­füh­ren­de Inten­dan­tin der Oper Graz, Nora Schmid und gegen­über mei­ner Loge der Gra­zer Alt­bür­ger­meis­ter Alfred Stingl. Oksa­na Lyniv hat neben dem Diri­gier­stab manch­mal auch ein Mikro­fon in der Hand und mode­riert die meis­ten Stü­cke an. Ganz in weiß geklei­det ist die schei­den­de ukrai­ni­sche Chef­di­ri­gen­tin der Oper Graz. Es ist ihr gleich­sam letz­ter Auf­tritt als Che­fin der Gra­zer Phil­har­mo­ni­ker prak­tisch, auch wenn sie im Dezem­ber 2020 noch einen Gast­auf­tritt haben wird. „Ein Strauss zum Abschied“ – dass damit mehr als nur ein musi­ka­li­scher Blu­men­strauß gemeint ist, soll­te wohl vom Titel her klar sein. Es  geht um die Wer­ke von Richard Strauss. Er ist einer der Lieb­lings­kom­po­nis­ten der Diri­gen­tin. Nur ganz zum Schluss, als Zuga­be prak­tisch, erklingt mit der „Salo­mé“ des Gra­zers Robert Stolz ein Werk eines ande­ren Künst­lers. Dies auch coro­nabe­dingt, denn für die Dar­bie­tung von Richard Strauss‘ Salo­mé wäre ein zu gro­ßes Orches­ter not­wen­dig gewe­sen. Kurz vor Schluss ser­viert Oksa­na Lyniv den­noch ein beson­de­res Menü:  Sie ver­bin­det die ein­zel­nen Gerich­te eines Vier-Gang-Menüs mit spe­zi­el­len Musik­stü­cken. Für Abwechs­lung sor­gen auch die Solis­tIn­nen der Oper Graz Anna Brull und Neven Crnić. Zu hören sind Aus­zü­ge aus der Oper „Ari­ad­ne auf Naxos“ und der – aus der ver­wor­fe­nen Büh­nen­mu­sik zu „Ari­ad­ne“ zusam­men­ge­stell­ten – Suite „Der Bür­ger als Edel­mann“. Als Kon­trast dazu erklin­gen zwei Alters­wer­ke Strauss‘, die nicht unter­schied­li­cher sein könn­ten. Einer­seits die Blä­ser­so­na­ti­ne Nr. 1 „Aus der Werk­statt eines Inva­li­den“, eine sym­pho­ni­sche Blä­ser­se­re­na­de in der Tra­di­ti­on von Mozarts „Gran Par­ti­ta“ vol­ler spät­ro­man­ti­scher Har­mo­nik, Scher­z­an­do-Moti­ven und wun­der­schö­ner Kan­ti­le­nen. Ande­rer­seits auch gleich zu Beginn die sehr ergrei­fen­den, trau­ri­gen „Meta­mor­pho­sen“ für 23 Solo­strei­cher, in denen der Kom­po­nist sei­ne Erschüt­te­rung über den Zwei­ten Welt­krieg ver­ar­bei­tet. Sie hät­ten wohl mehr mit den Tris­tia von Ovid gemein­sam als mit den Meta­mor­pho­sen jenes gro­ßen römi­schen Dich­ters, an den man auf­grund der Fast-Namens­gleich­heit mit COVID-19 den­ken kann. Ein bewe­gen­des und außer­ge­wöhn­li­ches Kon­zert, bei dem man schon bemerkt, dass der Applaus wegen des feh­len­den Publi­kums unmög­lich so aus­fal­len kann, wie man es kennt. Ich ver­las­se die Oper Graz zu Son­nen­un­ter­gang mit einem ganz beson­de­ren Gefühl.

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