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1 x Luft­bur­ger um 0 Euro


Text: Lukas Wogrol­ly; Fotos: Living Cul­tu­re
Eine Woche nach Ostern begab sich Living Cul­tu­re wie­der ins Coro­na-geplag­te Wien. Von Nor­mal­zu­stand kann kei­ne Rede sein, den­noch kommt lang­sam wie­der Leben „in die City“.

Nach knapp zwei Wochen war Living Cul­tu­re zum zwei­ten Mal im „Wien der Coro­na-Kri­se“. Die Stim­mung ist schon etwas auf­ge­hell­ter als beim letz­ten Mal. Von Nor­mal­zu­stand kann jedoch nicht die Rede sein. Viel­mehr scheint sich schön lang­sam ein­zu­pen­deln, was Bun­des­kanz­ler Sebas­ti­an Kurz „die neue Nor­ma­li­tät“ nennt: Ein öffent­li­ches Leben unter stren­gen Auf­la­gen, mit genau­en Richt­li­ni­en, wie man sie so bis­lang bes­ten­falls aus Asi­en kann­te. Will hei­ßen, mit mehr Abstand zuein­an­der, mit der Pflicht Schutz­mas­ken zu tra­gen in zahl­rei­chen öffent­li­chen Gebäu­den und allen öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln. Und auch mit doch eini­gen Unter­schie­den zu all dem Gewohn­ten. Nichts­des­to­trotz: Man gewöhnt sich dar­an.

Wir such­ten bei die­sem Wien-Auf­ent­halt nicht mehr nur das am Stadt­rand gele­ge­ne, weit­läu­fi­ge Are­al des Lain­zer Tier­gar­tens auf. Son­dern auch bestimm­te, stär­ker bevöl­ker­te Hot­spots der Stadt. Die teil­wei­se auch Schlag­zei­len gemacht hat­ten, Stich­wort Bun­des­gär­ten.

 

Begin­nen wir chro­no­lo­gisch, im Lain­zer Tier­gar­ten. Dort hat sich im Ver­gleich zum letz­ten Besuch ein biss­chen was ver­än­dert. Auf­fal­lend zahl­reich sind Fami­li­en mit sogar spie­len­den Kin­dern. Eine etwas generv­te Spa­zier­gän­ge­rin sucht ein Ven­til im „Coro­na-Frust“, weil ihr offen­bar der Abstand bezie­hungs­wei­se die Geh­wei­se nicht passt. Es ist Wochen­en­de. Sams­tag. Beim Gast­haus Rohr­haus, inmit­ten des Lain­zer Tier­gar­tens, ist der Gast­gar­ten logi­scher­wei­se ver­waist und auch ange­schrie­ben, dass er unbe­nutz­bar ist. Ledig­lich „WC für Sie geöff­net“ steht da. Wenn man zu einem Hin­weis­schild geht, hält man Abstand oder war­tet, bis gera­de nie­mand dort ist. Der Sicher­heits­ab­stand wird zu 100% nahe­zu ein­ge­hal­ten, die Bän­ke sind eben eher spär­lich besetzt. Und vie­le Men­schen in der Wie­se. Spiel­plät­ze nach wie vor abge­sperrt. Man hat das Gefühl, hier braucht es kei­ne Poli­zei. So wie sich hier alle vor­bild­lich an das immer gel­ten­de Rad­fahr- und Hun­de­ver­bot hal­ten, so geschieht das auch mit den Abstands­re­geln. Kein Wun­der: Hier, in die­sem extrem weit­läu­fi­gen Are­al von 2.450 Hekt­ar ist Platz für alle. Ledig­lich die Beschil­de­rung lässt manch­mal ein biss­chen zu wün­schen übrig, aber das ist Coro­na-unab­hän­gig und kann ja noch nach­ge­bes­sert wer­den. Dass etwa von der Her­mes­vil­la kein Weg­wei­ser in Rich­tung Güten­bacht­or am Süd­rand weist, son­dern nur in Rich­tung des Wirts­hau­ses „Hirschgs­temm“. Um zum Güten­bacht­or zu kom­men, muss man die­sen Weg gehen.

Schau­platz­wech­sel, Donau­in­sel. Ers­ter Sonn­tag nach Ostern. In der Nacht hat es abge­kühlt und auch nach lan­ger Zeit end­lich mal wie­der gereg­net. Bei küh­len 15 Grad plus ist auch die Donau­in­sel ver­waist. Zumin­dest ist hier wesent­lich weni­ger Getüm­mel als zu Nicht-Coro­na-Zei­ten und an son­ni­ge­ren, wär­me­ren Tagen, wie wir sie heu­er schon hat­ten. Die Land­schaft und die Wege sind rela­tiv mono­ton. Im Gegen­satz zum Lain­zer Tier­gar­ten ist hier sowohl Rad­fah­ren als auch das Mit­füh­ren von Hun­den erlaubt. Und das wird auch genützt, vor allem für Draht­esel-Fans ist die­ses zum Hoch­was­ser­schutz auf­ge­schüt­te­te Eiland ein rich­ti­ges Eldo­ra­do. Es sind schon ein paar Men­schen hier, vor allem von den eben erwähn­ten nicht moto­ri­sier­ten Zwei­rä­dern wer­den wir als Fuß­gän­ger stän­dig über­holt. Aber es fehlt die Gas­tro­no­mie, es fehlt – noch – der Bade­spaß, da zu kalt. Ledig­lich die Ang­ler mit ihren lan­gen Angel­ru­ten kom­men uns immer wie­der auf ihren Fahr­rä­dern ent­ge­gen und schei­nen die Ruhe sicht­lich zu genie­ßen. Die kei­ne Ruhe vor dem Sturm ist. Denn solan­ge es das Coro­na­vi­rus gibt bezie­hungs­wei­se kein Impf­stoff exis­tiert, kann man schwer von kom­plett „alten Zei­ten“ und von Nor­ma­li­tät spre­chen. Man könn­te fast mei­nen, die­se Ruhe hier sei­en die „Modern Times“, zu denen es der Mensch mit sei­ner Gier (Wild­tier­märk­te in Chi­na unter besorg­nis­er­re­gen­den Hygie­ne­be­din­gun­gen die ja letzt­end­lich als Aus­lö­ser für das Virus gel­ten) und Ver­netzt­heit (das Virus konn­te sich so schnell aus­brei­ten auf­grund der schnel­len Zug- und vor allem Flug­ver­bin­dun­gen in nahe­zu alle Tei­le der Welt) gebracht hat. Die Gast­stät­ten haben geschlos­sen (was sich aber Mit­te Mai ändern soll­te), und auch ver­ein­zelt nur fährt ein Poli­zei­au­to über die Insel. Dass die Donau­in­sel an die­sem Tag nicht so bevöl­kert ist, liegt nicht unbe­dingt an ihrer Ein­tö­nig­keit und auch nicht unbe­dingt an Coro­na, son­dern viel­mehr am deut­lich küh­le­ren Wet­ter.

Schau­platz­wech­sel: Nach dem Über­que­ren der Pra­ter­brü­cke, wo getrennt von der Auto­bahn (Süd­ost­tan­gen­te A23) der Fuß­weg und auf der ande­ren Sei­te der Rad­weg ange­legt ist – also auch getrennt Fuß­gän­ger und Rad­fah­rer, den­noch kommt uns als Fuß­gän­ger ein Fahr­rad ent­ge­gen – sehen wir von oben die Unend­lich­keit des Han­dels­kais, wo auch ein paar Leu­te spa­zie­ren. Durch eines der vie­len Stadt­ent­wick­lungs­ge­bie­te rund um die U2-Sta­ti­on „Donau­ma­ri­na“, wo diver­se Hoch­häu­ser mit Woh­nun­gen ent­ste­hen und vor­bei am Fer­ry-Dusi­ka-Sta­di­on geht es zum „Kolos­se­um der Neu­zeit“, wie mir das Ernst-Hap­pel-Sta­di­on wäh­rend eines Damen­ten­nis­tur­niers im Jahr 2001 im nahe­ge­le­ge­nen Ten­nis­club erschie­nen war. Mit sei­ner Rund­bau­wei­se erin­nert es an das römi­sche Ori­gi­nal, auch weil es auf einem so gro­ßen, run­den Platz ange­legt ist. Aller­dings sind das Kon­struk­ti­ons­ma­te­ri­al und das Archi­tek­to­ni­sche, abge­se­hen von der Rund­bau­wei­se, kom­plett anders als beim Fla­vi­schen Amphi­thea­ter – eben wegen der kom­plett ande­ren Zeit­epo­che. Mir kommt in den Sinn: Wenn man Fuß­ball­spie­le mit mög­lichst gro­ßem Abstand zwi­schen den Leu­ten ver­an­stal­ten möch­te und dabei aber mög­lichst vie­le Per­so­nen dar­an teil­neh­men las­sen möch­te, so wür­de sich die­ses größ­te Fuß­ball­sta­di­on Öster­reichs am bes­ten dafür eig­nen. Zumal es ohne­hin kaum für Matches genutzt wird, abge­se­hen von der A‑Nationalmannschaft der Her­ren, die aber nun auch Coro­na-bedingt fast ein gan­zes Jahr pau­sie­ren muss. Denn wenn man in die­ses zir­ka 45.000 Plät­ze fas­sen­de Rund in jeden Sek­tor nur ganz weni­ge Per­so­nen las­sen wür­de, so wäre der Sicher­heits­ab­stand defi­ni­tiv gewahrt. Der zum Spiel­feld ist ja ohne­hin wegen der Lauf­bahn sehr groß im Ver­gleich zu vie­len ande­ren Sta­di­en. Es ist Sonn­tag und so wie beim Ein­kaufs­zen­trum Sta­di­on Cen­ter in der Nähe ist auch hier – bis auf ein paar Läu­fer und Spa­zier­gän­ger – gäh­nen­de Lee­re. Aber kein Wun­der, das ist auch ohne Coro­na sonn­tags hier ähn­lich, sofern kein Spiel statt­fin­det. Denn in die Tri­bü­nen des Sta­di­ons hin­ein­ge­baut sind zwar zahl­rei­che Büros, die aber alle logi­scher­wei­se nur unter der Woche offen haben.

Von die­sem Ort inmit­ten des grü­nen Wie­ner Pra­ters wo kaum ein Unter­schied zu Nicht-Coro­na-Zei­ten ist, besu­chen wir nun jene Tei­le die­ser gro­ßen Erho­lungs­oa­se, wo eini­ges anders ist.

Begin­nen wir beim ans Ernst-Hap­pel-Sta­di­on angren­zen­de Sta­di­on­bad. Hier wür­de am 1. Mai die Frei­bad­sai­son begin­nen, und nor­mal hät­ten die Her­rich­tungs­ar­bei­ten schon begon­nen. Dies­mal kann kei­ne Rede davon sein, denn wann und ob über­haupt Frei­bä­der in die­ser Som­mer­sai­son auf­sper­ren dür­fen, steht noch in den Ster­nen. Die Poli­tik ist sich dies­be­züg­lich noch uneins, zumal es ja auch zu einer viel­zi­tier­ten „zwei­ten Wel­le“ kom­men könn­te. Auch auf der den gan­zen Pra­ter als eine Art Magis­tra­le durch­que­ren­de, gerad­li­ni­ge, ebe­ne Pra­ter Haupt­al­lee ist ein Unter­schied zum Nor­mal­zu­stand zu spü­ren. Wenn auch in ers­ter Linie durch die vie­len Poli­zei­au­tos die immer wie­der durch­fah­ren. Hier ist trotz des etwas küh­le­ren und bewölk­ten Wet­ters eini­ges los. Im Okto­ber wur­de hier der nicht offi­zi­el­le aner­kann­te Welt­re­kord im Mara­thon­lauf auf­ge­stellt, erst­mals unter 2 Stun­den. Aller­dings eben unter künst­li­chen Bedin­gun­gen wie Tem­po­ma­cher und Abhal­ten des Win­des, daher eben kein offi­zi­el­ler Welt­re­kord. Den­noch, ein Medi­en­spek­ta­kel. Der Asphalt ist hier genau gekenn­zeich­net, strich­liert, wo das Poli­zei­au­to zu fah­ren hat. Neben der asphal­tier­ten Fahr­bahn gibt es links und rechts par­al­lel dazu auch einen Schot­ter­weg, den die meis­ten Fuß­gän­ger nut­zen, wäh­rend Rad­ler eher am Asphalt unter­wegs sind. Eine genaue Vor­ga­be, wer was zu benut­zen hat, gibt es hier aber nicht – mal abge­se­hen vom Poli­zei­au­to, des­sen Bahn eben durch die strich­lier­te Mar­kie­rung am Asphalt genau aus­ge­wie­sen ist. Ledig­lich die Poli­zei­au­tos und eben auch, dass die teils par­al­lel zur Pra­ter Haupt­al­lee ver­lau­fen­de Lili­put­bahn außer Betrieb ist an einem Sonn­tag im April, wei­sen dar­auf hin, dass hier Coro­na­zeit ist. Ganz deut­lich wird dies jedoch hin­ge­gen im Volks­pra­ter, dort wo die vie­len Fahr­ge­schäf­te sind, Imbiss­bu­den et cete­ra.

Die ein­zi­gen Per­so­nen die man umar­men darf (abge­se­hen von denen mit denen man in einem gemein­sa­men Haus­halt wohnt) sind die auf­ge­stell­ten Kunst­fi­gu­ren an den diver­sen Plät­zen im Volks­pra­ter, zum Bei­spiel Cow­boy oder Kell­ner. Hier gibt es wahr­lich alles. Sou­ve­nir­shop, Gas­tro­no­mie – das berühm­te Schwei­zer­haus oder auch Kolarik’s Luft­burg, nicht zu ver­ges­sen der Eng­li­sche Rei­ter – Pony­rei­ten, Fahr­ge­schäf­te für Klei­ne und Gro­ße. Ganz wil­de Sachen, aber auch eher gemüt­li­che. Indoor und Out­door. Sie alle haben aber an die­sem Tag, bezie­hungs­wei­se all­ge­mein zu Coro­na­zei­ten eines gemein­sam: Sie sind geschlos­sen. Dort, wo sich sonst Men­schen­men­gen schie­ben, um ihrem Ver­gnü­gungs­sinn zu frö­nen und Geld aus­ge­ben, tum­meln sich nur Spa­zier­gän­ger, die nir­gends ihr Geld los­wer­den. Die Gerich­te, teils ange­schrie­ben, teils foto­gra­fisch abge­bil­det, bei den diver­sen Gas­tro­no­mie­stät­ten las­sen einem das Was­ser im Mund zusam­men­lau­fen. Aber es gibt nur Luft­bur­ger um 0 Euro! Zumin­dest das Geld­bör­sel wird bei die­sem Pra­ter­be­such defi­ni­tiv nicht erleich­tert. Die Geis­ter­bahn, impo­san­te Figu­ren, schö­ne Far­ben. Und das Are­al des Palaz­zo-Zelts. Ein ein­sa­mes Pferd. Und die Hin­weis­screens wo zum Bei­spiel steht dass das Are­al zwi­schen 20 Uhr abends und 7 Uhr mor­gens nur von Eigen­tü­mern und vom Sicher­heits­dienst betre­ten wer­den darf. Wir sind nicht die ein­zi­gen Besu­cher, auch ande­re Schau­lus­ti­ge erle­ben den Pra­ter an einem April­sonn­tag so, wie sie ihn wohl noch nie zu die­ser Zeit erlebt haben. Im Win­ter unter der Woche ist viel­leicht vor­mit­tags ähn­lich wenig los. Doch selbst am 1. Dezem­ber ver­gan­ge­nen Jah­res, als wir die Din­ner-Show im Palaz­zo-Zelt besucht hat­ten, war hier mehr Leben. Gespens­tisch wie die Geis­ter­bahn, vor der eini­ge Fotos ent­ste­hen, ist die Stim­mung. Wo sind die Men­schen alle hin? Und wann kommt hier end­lich wie­der der „Sturm“? Wann ist die Ruhe vor­bei?

Viel­leicht ja Anfang des Som­mers, wenn die Poli­tik zu einer „kon­trol­lier­ten Nor­ma­li­tät“ lädt. Sofern es die Fall­zah­len zulas­sen. Der Schön­brun­ner Tier­gar­ten öff­net Mit­te Mai, genau­so wie die Tier­welt Her­ber­stein. Viel­leicht wird auch die­ses Are­al bald von Mas­ken­trä­gern bevöl­kert sein. Und wür­de so ein kom­plett neu­es Bild bie­ten. Da die Mehr­zahl an Akti­vi­tä­ten sich hier im Frei­en abspielt, wo sich das Virus bekannt­lich nicht so gut hält, ist gut mög­lich, dass auch hier es bald wie­der leb­haf­ter zugeht. Auch das Rie­sen­rad steht still, die Sou­ve­nir­shops sind ver­waist und auch ein­zel­ne Bän­ke im Ein­gangs­be­reich des Pra­ters, in der Nähe des Rie­sen­rads, mit einem Absperr­band ver­se­hen. Der Tank­wart in der nahe­ge­le­ge­nen Tank­stel­le, die wir nur mit Mund- und Nasen­schutz betre­ten, hat nur Leber­kä­se, aber kei­ne Sem­mel für eine Leber­kä­se­sem­mel. Und auch kein Brot. Das der letz­te Ein­druck eines ganz beson­de­ren Pra­ter­be­suchs. Und ganz beson­ders geht es auch am Fol­ge­tag zu.

Die Wie­ner Innen­stadt ruft. Zum ers­ten Mal seit dem all­ge­mei­nen Shut-down Mit­te März, also fünf Wochen spä­ter, bin ich wie­der hier. Ein­zel­ne Geschäf­te – die unter 400 m2 – haben geöff­net. Und, da es ein Werk­tag ist, näm­lich ein Mon­tag, ist auch eini­ges an Leben. In der Kärnt­ner Stra­ße ist ein biss­chen was los. Mit der Beto­nung auf „ein biss­chen was“. Kein Ver­gleich zum „Nor­mal­zu­stand“, über den sich vie­le Wie­ne­rin­nen und Wie­ner schon beschwert hat­ten. Bei der Staats­oper asia­tisch aus­se­hen­de Men­schen. Die leben viel­leicht hier, den­ke ich mir. Denn Hotels sind geschlos­sen und Flug­ver­bin­dun­gen nahe­zu kom­plett gestri­chen. Der Haupt­un­ter­schied zu Nicht-Coro­na-Zei­ten in die­sem neu­en Wien sind zwei­fel­los die feh­len­den Tou­ris­ten­strö­me, die geschlos­se­nen Hotels, die geschlos­se­nen grö­ße­ren Shops, die geschlos­se­ne Gas­tro­no­mie und die durch Mas­ken geschlos­se­nen bezie­hungs­wei­se bedeck­ten Mün­der und Nasen der Fla­nie­rer. Es ist zwar etwas kühl, aber strah­lend blau­er Son­nen­schein. So wie schon zu Nor­mal­be­völ­ke­rungs­zei­ten habe ich etwas Schwie­rig­kei­ten, mich durch­zu­tan­ken durch die Men­schen. Aber dies­mal weni­ger des­halb, weil es so vie­le sind. Son­dern viel­mehr, um den Sicher­heits­ab­stand zu wah­ren. Aber ich schaf­fe es. Der Ste­phans­dom im Son­nen­schein, ver­ein­zelt Men­schen auf den Sitz­bän­ken. Zwar kei­ne gäh­nen­de Lee­re. Aber auch bei wei­tem kein Nor­mal­zu­stand. Vor allem die geschlos­se­ne Gas­tro­no­mie fällt auf. Der Demel, eines mei­ner Stamm­lo­ka­le, wird mit sei­nen geschlos­se­nen Roll­lä­den von einem Pas­san­ten foto­gra­fiert. Dass er das auch mal erle­ben darf, wird er sich wohl gera­de den­ken. Ein Lokal, eine Wie­ner Insti­tu­ti­on aus k.u.k.-Zeiten, tag­aus, tag­ein bevöl­kert von in ers­ter Linie Men­schen aus aller Her­ren Län­der, und geschlos­sen nur abends ab 19 Uhr bezie­hungs­wei­se aus­nahms­los am 24. Dezem­ber schon ab 14 Uhr nach­mit­tags. Nun auf ein­mal gezwun­gen zu mona­te­lan­gem Still­stand, Shut-down. So wie die Fit­ness-Stu­dio-Rei­he „Kie­ser Trai­ning“ mit ihrem Slo­gan „365 Tage im Jahr geöff­net“ wirbt. Abge­se­hen davon, dass das in einem Schalt­jahr wie heu­er ohne­hin nicht ganz kor­rekt ist, macht ihr nun – wie auch dem Demel und vie­len ande­ren Hotels und Insti­tu­tio­nen – das Coro­na­vi­rus einen Strich durch die Rech­nung. Neue Nor­ma­li­tät, die im Kanz­ler­amt, nur unweit des Demels, beschlos­sen wur­de, das scheint das Prin­zip zu sein. Was mit der Gas­tro­no­mie und der Hotel­le­rie sein wird, wenn sie ab Mit­te Mai wie­der schritt­wei­se auf­sper­ren darf, das steht in den Ster­nen. Auf jeden Fall wird dann wegen Coro­na das Bild ein ande­res sein. Und der Nor­mal­zu­stand ist noch ent­spre­chend weit weg. Kom­men wir zum letz­ten wich­ti­gen Pro­gramm­punkt unse­res Auf­ent­hal­tes. Oder zie­hen wir kurz davor noch einen vor. Auch abseits der Wie­ner Innen­stadt, in der Fla­nier­mei­le Favo­ri­ten­stra­ße im 10. Wie­ner Bezirk, dem bevöl­ke­rungs­reichs­ten, scheint die neue Nor­ma­li­tät Ein­zug gehal­ten zu haben. Beim Kebab­la­den bekommt man fast nur nach Vor­be­stel­lung, vor den Han­dy­shops der Anbie­ter A1, Magen­ta und Drei bil­den sich lan­ge Schlan­gen, wobei alle den Sicher­heits­ab­stand ein­hal­ten und sehr gesit­tet sich ver­hal­ten. Der Eis­sa­lon Tichy am Reu­mann­platz hat noch geschlos­sen  — er soll Anfang Mai wie­der auf­sper­ren. Und anders­wo in  Favo­ri­ten, im Sonn­wend­vier­tel unweit des neu­en Wie­ner Haupt­bahn­ho­fes wird flei­ßig gebaut. Doch zurück zur Favo­ri­ten­stra­ße und zum Are­al des Vik­tor-Adler-Mark­tes. Hier fällt auf der hohe tür­kisch­stäm­mi­ge Bevöl­ke­rungs­an­teil in die­sem Grätzl, und auch das Mas­ken­tra­gen, das zur Mode gewor­den zu sein scheint. Letz­ter Punkt: Das Abstand­hal­ten ist hier etwas schwie­ri­ger als auf der Kärnt­ner Stra­ße, aber es ist den­noch mög­lich. Die neue Nor­ma­li­tät, sie hat auch hier Ein­zug gehal­ten. Und das geschäf­ti­ge Trei­ben nimmt lang­sam wie­der For­men an. Und nun zum letz­ten Punkt unse­rer Rei­se: Den fast schon berühmt-berüch­tig­ten Bun­des­gär­ten. Wahl­kampf­ge­plän­kel anläss­lich der Wien-Wahl am 11. Okto­ber brach­te sie in die Schlag­zei­len. Die Bür­ger­meis­ter­par­tei SPÖ for­der­te das von der ÖVP geführ­te Tou­ris­mus­mi­nis­te­ri­um auf, die im Zuge des kom­plet­ten Shut-downs Mit­te März geschlos­se­nen Bun­des­gär­ten wie­der zu öff­nen, um mehr Frei­raum und mehr Grün­oa­sen der Wie­ner Bevöl­ke­rung zu geben. Die im Gegen­satz zur länd­li­chen Bevöl­ke­rung oft nicht über einen eige­nen Gar­ten, ja oft nicht mal über einen eige­nen Bal­kon ver­fügt. In Zei­ten der Ver­kehrs­be­schrän­kung sei das Betre­ten von Grün­flä­chen zur Erho­lung ein wich­ti­ges Gut und die­ne auch dazu, mehr Abstand hal­ten zu kön­nen. So die Argu­men­ta­ti­on der städ­ti­schen SPÖ, die ihrer­seits alle städ­ti­schen Parks offen­hielt und sogar zusam­men mit ihrem grü­nen Koali­ti­ons­part­ner das tem­po­rä­re Gehen auf ansons­ten gesperr­ten Fahr­bah­nen frei­gab. Auf der ande­ren Sei­te die Argu­men­ta­ti­on der tür­ki­sen Tou­ris­mus­mi­nis­te­rin Kös­tin­ger, 1. auch ande­re Län­der hät­ten im Zuge des Shut-downs ihre Gar­ten­an­la­gen bezie­hungs­wei­se Park­an­la­gen geschlos­sen und 2. die­se Gär­ten zu öff­nen, wäre ein fal­sches Signal, weil dann das Gebot zu Hau­se zu blei­ben, miss­deu­tet wer­den könn­te, nach dem Mot­to die Men­schen sol­len zuhau­se blei­ben, des­halb sper­ren wir auch die Parks. Letzt­end­lich dann das Ende der von vie­len als Wahl­kampf­ge­plän­kel in Coro­na­zei­ten bezeich­ne­ten Geschicht‘: Am Oster­diens­tag, also unmit­tel­bar nach dem Oster­wo­chen­en­de und zeit­gleich mit den ers­ten Geschäf­ten nach dem knapp ein­mo­na­ti­gen kom­plet­ten Shut-down, öff­ne­ten auch wie­der die Bun­des­gär­ten. Aller­dings mit stren­gen Ein­lass­kon­trol­len. Von die­sen war im Burg­gar­ten, Volks­gar­ten und Bel­ve­de­regar­ten nicht immer was zu sehen. Aller­dings fiel den­noch die enor­me Prä­senz der Gelb­wes­ten auf. In die­sem Fall im Unter­schied zu Frank­reich vor der Kri­se nicht Bür­ger­pro­tes­te, son­dern eben Ord­ner wie im Fuß­ball­sta­di­on bezie­hungs­wei­se Poli­zei, die doch alles genau kon­trol­lier­te. Zwar nicht unbe­dingt beim Ein­gang jeden abtas­te­te wie beim Ein­gang zum Fuß­ball­sta­di­on, die aber vor allem im Burg­gar­ten sehr prä­sent war und nicht zu über­se­hen. Ein biss­chen wie Big Brot­her is wat­ching you. Aber den­noch: An der Schön­heit der Bun­des­gär­ten kann man sich erfreu­en und auch wenn der Anblick unge­wohnt ist mit dem vie­len Sicher­heits­per­so­nal, schon allein nach der ein­mo­na­ti­gen Schlie­ßung und den vie­len Schlag­zei­len zu die­sem The­ma ist es wahr­lich ein Genuss, wie­der die­se Gär­ten genie­ßen zu dür­fen. So wie auch den Blick auf das Schloss Bel­ve­de­re, das ja aus dem Ita­lie­ni­schen über­setzt „schö­ne Aus­sicht“ heißt. Und die­se schö­ne Aus­sicht, wenn auch unge­wis­se, haben hof­fent­lich auch wir auf die Zukunft. Kommt es zu kei­ner zwei­ten Wel­le, wie sie Poli­ti­ker vor allem immer wie­der for­mu­lie­ren, dann wird es schritt­wei­se Öff­nun­gen geben, auch vom Bel­ve­de­re bezie­hungs­wei­se den Bun­des­mu­se­en im All­ge­mei­nen. Das ist doch eine schö­ne Aus­sicht, also auf Ita­lie­nisch ein Bel­ve­de­re, oder?

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