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Oli­vie­ro Tos­ca­ni im Ate­lier Jung­wirth


Text: Living Cul­tu­re, Fotos: Living Cul­tu­re (5), Oli­vie­ro Tos­ca­ni (14)
Von 21. Okto­ber 2019 bis 25. Jän­ner 2020 ist der vor allem für sei­ne stark pola­ri­sie­ren­de Benet­ton-Wer­bung bekann­te ita­lie­ni­sche Foto­graf in Graz zu sehen.

Exzen­trisch. Das fällt einem auf, wenn man Oli­vie­ro Tos­ca­ni zu so all­ge­mei­nen Fra­gen über Öster­reich und Ita­li­en befragt. Was hal­ten Sie von Öster­reich, was hal­ten Sie von Ita­li­en. In bei­den Fäl­len meint er, Öster­rei­cher und Ita­lie­ner sei­en exzen­tri­scher als zum Bei­spiel die Deut­schen. Und exzen­trisch ist genau­so sei­ne Foto­gra­fie. Der renom­mier­te Foto­graf Chris­ti­an Jung­wirth gestal­te­te schon unzäh­li­ge Cover von Living Cul­tu­re. Und betreibt das Ate­lier Jung­wirth am Opern­ring, wo er lau­fend ande­re Foto­gra­fen aus­stel­len lässt. Nun also Oli­vie­ro Tos­ca­ni. Sei­ne Bil­der pola­ri­sie­ren, erre­gen die Gemü­ter. Nack­te Haut. Eine Non­ne wird geküsst. Ein neu­ge­bo­re­nes Kind. Tos­ca­nis Kunst ist nichts für schwa­che Ner­ven. Bekannt wur­de Oli­vie­ro Tos­ca­ni vor allem durch die Benet­ton-Wer­be­su­jets von 1982 bis 2000. Mit sei­nen grenz­wer­ti­gen Foto-Sujets ver­half er sozia­len Rand­grup­pen zu mehr Auf­merk­sam­keit. Genau­so aber auch jenen Mar­ken die ihn beauf­trag­ten. So exzen­trisch und pola­ri­sie­rend sei­ne Kunst ist, so ruhig und unty­pisch ita­lie­nisch beant­wor­te­te er mei­ne Inter­view-Fra­gen. Zu sehen ist Oli­vie­ro Tos­ca­ni noch bis 25. Jän­ner 2020 im Ate­lier Jung­wirth.

21. Okto­ber 2019 bis 25. Jän­ner 2020. Mi-Fr 14–17, Sa 11–15 und auf Anfra­ge

Ate­lier Jung­wirth

Graz, Opern­ring 12

www.atelierjungwirth.com

OLIVIERO TOSCANI IM GESPRÄCH MIT LIVING CULTURE

Herr Tos­ca­ni, die Aus­stel­lung die von Ihnen der­zeit im Land­haus­hof in Graz läuft, trägt den Titel „raz­za uma­na“ – zu Deutsch „mensch­li­che Ras­se“. Im Zusam­men­hang mit Men­schen ist es im Deut­schen mitt­ler­wei­le ver­bo­ten, den Aus­druck „Ras­se“ zu ver­wen­den. Auch weil ihn die Natio­nal­so­zia­lis­ten des Lan­gen und Brei­ten eben bei den Men­schen ver­wen­det haben. Was sagen Sie dazu?
Ja, das ist des­halb falsch, weil es nur eine ein­zi­ge mensch­li­che Ras­se gibt. Die Natio­nal­so­zia­lis­ten sind ja davon aus­ge­gan­gen, dass es meh­re­re unter­schied­li­che Men­schen­ras­sen gibt. Das stimmt aber nicht. Sie haben den Begriff Ras­se mit dem Begriff Nati­on gleich­ge­setzt. Die mensch­li­che Ras­se ist in Natio­nen unter­teilt. Aber es gibt nur eine ein­zi­ge Ras­se der Men­schen. Und der Begriff „raz­za uma­na“ bezeich­net eben alle Men­schen zusam­men.

Wie sind Sie hier zu die­ser Aus­stel­lung gekom­men? Was ver­bin­det Sie mit Chris­ti­an Jung­wirth, dem öster­rei­chi­schen Foto­gra­fen Chris­ti­an Jung­wirth?
Er ist zu mir nach Ita­li­en gekom­men. Ich habe einen Work­shop orga­ni­siert in Rimi­ni. Im gro­ßen Hotel von Felli­ni. Dann sind wir in Kon­takt geblie­ben. Und über mei­ne Assis­ten­tin Susan­na hat er die­se Aus­stel­lung dann orga­ni­siert. Sehr gut, weil er ist ein sehr guter Foto­graf.

Ich habe gele­sen, dass zumin­dest die Hälf­te der von Ihnen hier im Ate­lier Jung­wirth aus­ge­stell­ten Wer­ke von Face­book zen­su­riert wer­den wür­de. Mit ande­ren Wor­ten, wenn jemand die­se Bil­der alle auf Face­book stel­len wol­len wür­de, wäre das nicht mög­lich, weil vie­le von ihnen als „obs­zö­ner Inhalt“ ein­ge­stuft wür­den. Was sagen Sie dazu?
Ich den­ke, dass Face­book sehr alt ist. Face­book ist ein Schmelz­tie­gel der Blöd­heit der gesam­ten Welt. Alle Blö­den sind auf Face­book, in alpha­be­ti­scher Rei­hen­fol­ge. Das ein­zig Pro­duk­ti­ve was Face­book gemacht hat, war die Blö­den in eine alpha­be­ti­sche Rei­hen­fol­ge zu brin­gen.

Ich habe gele­sen, Sie waren/sind poli­tisch enga­giert. Zuerst bei der Par­tei „I Radi­cali“ (Die Radi­ka­len), eine Par­tei der Mit­te die im Euro­päi­schen Par­la­ment zur Grup­pe der Libe­ra­len gehört. Und jetzt sind Sie aber beim Par­ti­to Demo­cra­ti­co, also den Sozi­al­de­mo­kra­ten, wie hier in Öster­reich die SPÖ. Die sind aber Mit­te-Links…
I Radi­cali / Die Radi­ka­len sind kei­ne poli­ti­sche Par­tei. Son­dern eine Ein­stel­lung. Kei­ne poli­ti­sche Zuge­hö­rig­keit, son­dern eine phi­lo­so­phi­sche. Eine ethi­sche. Ich bin Mit­glied des PD, Par­ti­to Demo­cra­ti­co gewor­den, nach­dem Matteo Ren­zi ver­lo­ren hat­te. Um zu zei­gen, dass man kei­ne Angst haben darf, zu ver­lie­ren. Und ich bin links, ich bin nicht rechts. Ansons­ten macht rechts / links nicht viel Sinn. Aber ja, ich bin links. Und es ist nicht so dass es kei­ne Idea­le mehr gibt. Es gibt Idea­le. Und es ist nicht so, dass ich aktiv Poli­tik mache. Aber ich den­ke, dass mei­ne Arbeit mit der Zeit, auf lan­ge Sicht hin, poli­ti­sches Enga­ge­ment mit sich bringt. Ich hal­te eine bestimm­te Art von Poli­tik nicht aus. Und ich unter­stüt­ze hin­ge­gen eine ande­re Art von Poli­tik.

Was fal­len Ihnen für spon­ta­ne Asso­zia­tio­nen zu Ihrem Leben ein?
Die Zivil­ge­sell­schaft. An der Zivil­ge­sell­schaft teil­neh­men. Für man­che gibt es den Rechts­staat und für ande­re nicht. Wegen der öko­no­mi­schen Unter­schie­de gibt es die Rei­chen und die Armen. Ver­schie­de­ne Klas­sen. Wir leben in kei­nem Rechts­staat. Wir sagen das zwar, dass wir in einem Rechts­staat leben. Aber es ist nicht wahr. Für man­che gibt es den Rechts­staat und für ande­re nicht. Solan­ge es den Rechts­staat nicht für alle gibt, solan­ge ist die Welt kein Rechts­staat. Das ein­zi­ge The­ma mit dem wir uns befas­sen müs­sen, heißt Mensch­heit. Alles was wir machen, muss für die Mensch­heit sein.

Was fällt Ihnen spon­tan zu Öster­reich ein?
Ich habe nie in Öster­reich gelebt. Ich bin oft hier­her­ge­kom­men. Mir gefällt es, dass die Öster­rei­che­rIn­nen so exzen­trisch sind. Sie sind die Exzen­trischs­ten unter allen Ger­ma­ni­schen. Weil sie sind die Leu­te süd­lich von Deutsch­land. In Ita­li­en hei­ßen die aus dem Süden „ter­ro­ni“. In Ita­li­en sind sie auch exzen­trisch. Jetzt kann man das nicht gene­ra­li­sie­ren. Aber in Öster­reich gibt es auch exzen­tri­sche Genies, groß­ar­ti­ge Künst­ler. Und dann sind sie auch ein biss­chen ver­rückt, die Öster­rei­che­rIn­nen. Ja, es gibt Ver­rückt­heit in Öster­reich. Ich weiß nicht, war­um. Es gibt die Ber­ge. Im Gegen­satz zu Ita­li­en ist Öster­reich über­all ähn­lich. Es gibt nicht so Unter­schie­de zwi­schen Nor­den und Süden wie in Ita­li­en. Aber es gibt den Unter­schied zwi­schen West und Ost. Auf der einen Sei­te eben eher west­lich. Und auf der ande­ren Sei­te auch nahe am Osten. Im Osten spürt man den Geist des Ostens. Öster­reich ist viel kom­pak­ter als Ita­li­en oder ein ande­res euro­päi­sches Land. In der Schweiz ist das anders, da gibt es die fran­zö­si­schen, die ita­lie­ni­schen und die deut­schen. Und auch Bel­gi­en ist hete­ro­ge­ner als Öster­reich. Dort gibt es das Flan­dri­sche, das Fran­zö­si­sche. Da gibt es Unter­schie­de. Hier hin­ge­gen spre­chen alle die­sel­be Spra­che. Die nicht mal eure ist.

Was ist für Sie Kul­tur?
Der Mensch­li­che Kör­per und das Blut. Das Blut was im mensch­li­chen Kör­per. Das was uns leben lässt. Kul­tur ist Zivi­li­sa­ti­on, im sozia­len Sinn. Und Kunst. Im kri­ti­schen Sinn. Im mensch­li­chen Sinn Die Kul­tur ist die eine ein­zi­ge.

Dan­ke für das Gespräch.




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