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ABSCHIED MIT AMORE — OKSANA LYNIV


Text: Moni­ka Wogrol­ly, Lukas Wogrol­ly; Tran­skrip­ti­on: Clau­dia Sim­scha; Fotos: Wer­ner Kme­titsch (1), Chris­ti­an Schmidt (10)
Oksa­na Lyniv, Chef­di­ri­gen­tin der Oper Graz, been­det im Som­mer 2020 — nach ihrer drit­ten Spiel­zeit — ihre Zeit in der Mur­me­tro­po­le. Die stei­ri­sche Lan­des­haupt­stadt hat sie ins Herz geschlos­sen.

Frau Chef­di­ri­gen­tin, wie füh­len Sie sich in Graz? Füh­len Sie sich zu Hau­se?
Dan­ke, gut, ja jetzt schon, denn nach der drit­ten Spiel­zeit ist man tat­säch­lich wie zu Hau­se: Ich ken­ne schon das Orches­ter und alle Musi­ker und Sän­ger, die Stadt, ja das ist sehr ange­nehm!

 

Und was wird jetzt fol­gen nach der Spiel­zeit?
Nach der Spiel­zeit bin ich erst­mal frei­be­ruf­lich, und ich habe vie­le schö­ne Ange­bo­te — die kann ich jetzt aber noch nicht alle nen­nen.

 

Ich ken­ne doch eini­ge Diri­gen­tin­nen, die nach ihrem Stu­di­um lei­der ganz etwas ande­res aus­üben muss­ten, bezie­hungs­wei­se müs­sen, weil die pas­sen­den Kon­tak­te feh­len. Kon­tak­te, über die Män­ner viel­leicht ver­mehrt ver­fü­gen — wür­den Sie sagen, es gibt da eine Gen­der­pro­ble­ma­tik? Was wür­den Sie einer jun­gen Diri­gen­tin nach dem Abschluss raten?
Ich glau­be nicht, dass es jetzt noch eine sehr gro­ße Gen­der­pro­ble­ma­tik gibt. Gera­de jetzt ist alles so im Auf­bruch, dass jede jun­ge begab­te, flei­ßi­ge Diri­gen­tin auch aus­rei­chend Auf­merk­sam­keit und Publi­zi­tät bekommt. Ich mer­ke das bei mei­nen jun­gen Kol­le­gin­nen, die alle­samt viel schnel­ler in pro­fes­sio­nel­len Kon­text kom­men als frü­her. Also als vor 10, 15 Jah­ren wo ich fer­tig stu­diert hat­te. Man hat damals viel skep­ti­scher auf die Leis­tun­gen einer Frau geschaut! Hin­ge­gen jetzt, glau­be ich, ist wirk­lich die bes­te Zeit durch­zu­star­ten, erfolg­reich zu sein.

 

Wel­che Rol­le spie­len hier­bei die Netz­wer­ke?
Die Netz­wer­ke spie­len hier­bei eine gro­ße Rol­le, egal ob Mann oder Frau, Netz­wer­ke sind essen­zi­ell. Die theo­re­ti­sche Aus­bil­dung ist das eine. Die Pra­xis aller­dings, das ande­re  — und gera­de in Graz geben wir hier den jun­gen Leu­ten sehr schnell die Chan­ce und den Raum Pra­xis zu sam­meln und Her­aus­for­de­run­gen anzu­neh­men.

 

 Wür­den Sie ger­ne ein­mal in Wien das Neu­jahrs­kon­zert diri­gie­ren?
(lacht) Ja, wenn sich die Mög­lich­keit ergibt.

Was hat man denn als Diri­gen­tin für Zie­le, Traum­or­te? Steckt man sich die­se selbst?
Ich lie­be Opern und Sym­pho­nie­kon­zer­te. Und natür­lich gibt es Traum­häu­ser, die legen­där sind wie Mün­chen, Wien, Paris, Ber­lin…. aber das kommt alles nach und nach, wenn man wirk­lich gut ist.

Als Psy­cho­the­ra­peu­tin und Bezie­hungs­exper­tin inter­es­siert mich auch: Wie läuft das ab, wenn man das ers­te Mal vor dem Orches­ter steht? Wie baut man hier eine Ver­bin­dung auf, sodass die indi­vi­du­el­le Hand­schrift der Diri­gen­tin auch erkannt und ange­nom­men wird?
Es braucht natür­lich Cha­ris­ma und Aus­strah­lung. Und die Kon­takt­her­stel­lung muss meist sehr schnell von­stat­ten­ge­hen. Bei den meis­ten Kon­zer­ten hast du nur 2 Tage Vor­be­rei­tung. Das heißt, du musst die Leu­te wirk­lich gleich packen. Aber das ist das Inter­es­san­te bei Musi­kern, jeder hat sei­nen Instinkt. Und instink­tiv, ohne dass wir uns lan­ge ken­nen, kön­nen wir durch die Spra­che der Musik, durch unse­re Ener­gie spü­ren. Da ist es als Diri­gen­tin natür­lich ganz wich­tig, die Leu­te gleich zu packen und mit­zu­neh­men, das ist immer ganz wich­tig.

 

Sie sind ja aus der Ukrai­ne und haben Herrn Hono­rar­kon­sul Möstl ja bereits getrof­fen…
Ja, und ich freue mich wahn­sin­nig, dass es in Graz einen ukrai­ni­schen Hono­rar­kon­sul gibt. Ich schät­ze jede Begeg­nung. Und seit 2018 haben wir schon vie­le schö­ne und gute Kon­zert mit der Unter­stüt­zung des Hono­rar­kon­suls gespielt. Und wir sind sehr stolz dar­auf, dass so gro­ße Pro­jek­te gera­de in Graz, und nicht bei­spiels­wei­se in Wien, statt­fin­den. Und gera­de das Kon­zert für die Men­schen­rech­te fand ich sehr wich­tig, denn die Ukrai­ne hat hier doch noch ihre Kon­flik­te — daher ist es groß­ar­tig, wenn jun­ge Musi­ker aus der gan­zen Ukrai­ne kom­men, und in so einem schö­nen Kon­zert­saal bei­spiels­wei­se Beet­ho­vens 9. Sym­pho­nie spie­len.  Das hat für mich eine sehr tie­fe Aus­sa­ge, in Hin­blick auf die uni­ver­sel­len Men­schen­rech­te.

 

Ja, das stimmt, es han­delt sich ja hier­bei um etwas Sozio­kul­tu­rel­les, etwas dass alle ver­bin­det. Das ist der unsag­ba­re Ver­dienst der Kunst! Ande­re Fra­ge, wo füh­len Sie sich denn beson­ders zu Hau­se?
Zu Hau­se füh­le ich mich in mei­nem Hei­mat­ort und vor allem auch in Lem­berg, wo ich sehr viel Zeit ver­bracht habe. Und auch heu­te noch ver­brin­ge, wie bei­spiels­wei­se durch die Lei­tung des jähr­li­chen Mozart-Fes­ti­vals.  Aber als Künst­ler bekommt man, dank der groß­ar­ti­gen Momen­te und Gefüh­le eines gelun­ge­nen Auf­tritts, sehr oft die­ses beson­de­re Gefühl geschenkt. Ich habe vie­le ein­zig­ar­ti­ge Momen­te, an die ich mich ger­ne erin­ne­re.

 

Spar­k­ling moments! Man merkt auch sofort Ihre gro­ße Lei­den­schaft. Gibt es auch abseits der Musik Orte oder Momen­te, wo Sie auf­tan­ken und Kraft schöp­fen?
Ja klar, haupt­säch­lich mit mei­nem Mann, den habe ich übri­gens auch durch den Beruf ken­nen­ge­lernt, (lacht). Ja, und ich habe vie­le groß­ar­ti­ge Freun­de, tie­fe Ver­bin­dun­gen aus frü­her Kind­heit und Jugend sind hier beson­ders sta­bil. Ja, und ich lie­be rei­sen, die vie­len unter­schied­li­chen Län­der und deren Kul­tur zu ent­de­cken. Eben­so lebe ich die Natur, Wald, Ber­ge, die geben auch sehr viel Ener­gie.

 

War der Gus­tav-Mahler-Wett­be­werb ein Schritt zu Ihrem Durch­bruch?
Ja, es haben sich dadurch sicher­lich neue Chan­cen und Mög­lich­kei­ten erge­ben.

 

Wie kamen Sie eigent­lich nach Graz?
Ich war schon vier Jah­re Assis­ten­tin des Chef­di­ri­gen­ten, dann war in Graz die Stel­le aus­ge­schrie­ben. Und ich habe mich sehr gefreut die­se anzu­neh­men.

 

Schön! Und Sie lei­ten ja wie bereits ange­spro­chen, das jähr­li­che Fes­ti­val in Lem­berg. Was wird hier alles ange­bo­ten?
Nicht nur Mozart ‑Wer­ke, auch zeit­ge­nös­si­sche Wer­ke, Per­for­mance; wis­sen­schaft­li­che Kon­fe­ren­zen und Aus­stel­lun­gen wer­den hier ange­bo­ten, das Fes­ti­val dau­ert auch 8–9 Tage.

 

Wow! Und mer­ken Sie eigent­lich Unter­schie­de zwi­schen Deutsch­land und Öster­reich, aus der Ukrai­ne stam­mend haben Sie hier ja Außen­per­spek­ti­ve?
Ja, Öster­reich ist defi­ni­tiv ein tra­di­ti­ons­ge­bun­de­ne­res Land. Etwas ruhi­ger vom Tem­po her. Die Kuli­na­rik und die Lie­be zu Genuss und Gemüt­lich­keit zeich­nen Öster­reich schon sehr stark aus.

 

Was wür­den Sie jeman­den sagen, war­um soll­te man nach Graz kom­men?
Graz ist für mich eine ver­steck­te Oase. Allei­ne wenn man am Flug­ha­fen ankommt, spürt man wie toll die Luft ist, es gibt so vie­le Wäl­der und Ber­ge. Gleich­zei­tig bie­tet Graz ein ein­zig­ar­ti­ges his­to­ri­sches Zen­trum mit tol­ler Archi­tek­tur, hier herrscht eine mär­chen­haf­te Atmo­sphä­re! Der Schloss­berg ist für mich ein ganz beson­de­rer Ort.  Ich lie­be es, im Herbst auf den Schloss­berg zu gehen; es blü­hen tol­le Blu­men, beein­dru­cken­de Vege­ta­ti­on, man fühlt die Geschich­te und wenn man hin­ab­schaut, sieht man sogleich auf die Murin­sel. Die Koexis­tenz vie­ler Stil­rich­tun­gen und Epo­chen macht Graz sehr schön, und natür­lich gibt es auch vie­le gemüt­li­che Loka­le und her­vor­ra­gen­de Ein­kaufs­mög­lich­kei­ten.

 

Fällt Ihnen der Abschied von Graz schwer oder freu­en Sie sich?
Ich freue mich sehr, wie­der­zu­kom­men! Es gibt schon sehr gute Optio­nen und Mög­lich­kei­ten einer Zusam­men­ar­beit.

 

Was bedeu­tet für Sie „living cul­tu­re“?
Ich lei­te oft an drei oder vier ver­schie­de­nen Orten Pro­jek­te gleich­zei­tig, da habe ich mixed cul­tu­re lacht…es ist so viel aus­tausch­bar in unse­rer Welt und doch gibt es beson­ders Lieb­lings­stü­cke, Wer­ke, Plät­ze die man auf kei­nen Fall mis­sen möch­te.

 

Qua­si die Hot­spots der See­le lacht
Genau! Sei es die Lieb­lings­spei­se oder der beson­de­re Aus­blick, das tut gut!

Das stimmt, vie­len Dank für das span­nen­de Gespräch mit Ihnen!

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