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Ver­vier­fa­chung von Hass im Netz durch Coro­na


Text und Abbildungen/Grafiken: Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stel­le Stei­er­mark; Foto: Foto Fischer
Ver­vier­fa­chung der Hass­mel­dun­gen allein im vier­ten Quar­tal 2020. 82 Pro­zent ste­hen im Zusam­men­hang mit der Covid-19-Pan­de­mie. Ban­Ha­te-Initia­to­rIn­nen war­nen vor zuneh­men­der Gefahr von Gewalt und Demo­kra­tie­feind­lich­keit.

Es sind Zah­len, die die der­zeit auf­ge­la­de­ne Stim­mung in Öster­reich dra­ma­tisch bele­gen: In ihrem aktu­el­len Online-Hass­re­port ver­öf­fent­li­chen die Initia­to­rIn­nen der App Ban­Ha­te (www.banhate.com) nun die jüngs­ten Sta­tis­ti­ken zu Hass im Netz in Öster­reich. Ins­ge­samt gin­gen im ver­gan­ge­nen Jahr 3215 Mel­dun­gen über die Ban­Ha­te-App ein und damit um 76 Pro­zent mehr als im Ver­gleich zum Jahr 2019. Eine alar­mie­ren­de Zuspit­zung der Situa­ti­on zeigt sich vor allem im letz­ten Quar­tal des Vor­jah­res. Seit Beginn des soge­nann­ten zwei­ten Lock­downs im Novem­ber wur­den bis zum Ende des Jah­res 1694 Hass­pos­tings gemel­det. Das ent­spricht fast einer Ver­vier­fa­chung (3,7) des durch­schnitt­li­chen monat­li­chen Wer­tes aus dem Jahr 2019. Dabei ste­hen 82 Pro­zent der Mel­dun­gen im Zusam­men­hang mit der Covid-19 Pan­de­mie.

Für Danie­la Gra­bo­vac, die Ban­Ha­te 2017 als euro­pa­weit ers­te App zum Mel­den von Hass­pos­tings initi­iert hat, spie­geln die­se Zah­len eine hass­erfüll­te Stim­mung wider, die sich nicht nur im Inter­net ent­lädt. Die Extre­mis­mus- und Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­exper­tin erkennt eine zuneh­men­de Gefahr von Radi­ka­li­sie­rung, Gewalt und Demo­kra­tie­feind­lich­keit: „Extre­mis­ti­sche Grup­pen nut­zen die aktu­el­le Lage aus, um Angst zu schü­ren und die Gesell­schaft zu spal­ten. Das Mobi­li­sie­rungs­po­ten­ti­al stei­gert sich durch Social Media, man­che Grup­pen haben einen Zulauf von 100 bis 200 Men­schen pro Tag.“ Gra­bo­vac warnt davor, die Ängs­te der Men­schen her­un­ter­zu­spie­len. „Wir sehen in den Inhal­ten der gemel­de­ten Hass­pos­tings, dass es hier sehr oft um Ver­un­si­che­rung geht. Die Men­schen suchen nach Erklä­run­gen und wer­den bei Ver­schwö­rungs­er­zäh­lun­gen fün­dig. Die Sor­gen und Ängs­te der Men­schen müs­sen ernst genom­men wer­den.“

Wie die Aus­wer­tun­gen der Ban­Ha­te-App zeigt (Mehr­fach­nen­nun­gen mög­lich), rich­tet sich der Hass der Men­schen zum größ­ten Teil gegen „poli­ti­sche Anschau­un­gen“ (29 Pro­zent aller Mel­dun­gen) bzw. direkt gegen Poli­ti­ke­rIn­nen (20 Pro­zent) oder hat natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Paro­len bzw. Wie­der­be­tä­ti­gung (21 Pro­zent) als Grund­la­ge. So wer­den die Maß­nah­men zur Ein­däm­mung der Pan­de­mie in den gemel­de­ten Hass­pos­tings oft mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus oder mit dik­ta­to­ri­schen Sys­te­men ver­gli­chen. Fast jedes zehn­te gemel­de­te Hass­pos­ting (9 Pro­zent) rich­tet sich gegen Juden (Anti­se­mi­tis­mus).

30 Pro­zent der Hass­mel­dun­gen stüt­zen sich auf Ver­schwö­rungs­er­zäh­lun­gen bzw. Fake News, 22 Pro­zent aller Mel­dun­gen haben Frem­den­feind­lich­keit als Hin­ter­grund. Gra­bo­vac: „Hass in Netz straf­recht­lich zu ver­fol­gen ist wich­tig. Eine Ent­span­nung und Ver­bes­se­rung wer­den wir aber nur erzie­len, wenn wir uns als Gesell­schaft dar­über hin­aus auch der rea­len und ernst­zu­neh­men­den Ängs­te der Men­schen anneh­men. Hier geht es um Auf­klä­rung und Prä­ven­ti­on sowie vor allem auch dar­um, den Men­schen wie­der zuzu­hö­ren.“

Von allen 3215 Mel­dun­gen zu Hass­pos­tings, die über die Ban­Ha­te-App im ver­gan­ge­nen Jahr ein­ge­gan­gen sind, wur­den 1750 Mel­dun­gen an die zustän­di­gen Stel­len in Öster­reich und Deutsch­land wei­ter­ge­lei­tet bzw. zur Anzei­ge gebracht. Nicht ver­folgt wer­den gemel­de­te Hass­pos­tings aus unter­schied­li­chen Grün­den – zum Bei­spiel weil sie straf­recht­lich nicht rele­vant sind, vor der Bear­bei­tung durch die zustän­di­ge Stel­le gelöscht wer­den oder weil sie etwa Pri­vat­an­kla­ge­de­lik­te betref­fen. Gra­bo­vac: „Die Ban­Ha­te-App funk­tio­niert wie ein Seis­mo­graph, wenn es um das Erken­nen von hass­erfüll­ter Stim­mung in unse­rer Gesell­schaft geht. Und die­ser Seis­mo­graph schlägt der­zeit so kräf­tig aus wie noch nie.“

Über Ban­Ha­te
Durch die Ein­füh­rung von Ban­Ha­te, der euro­pa­weit ers­ten App zum Mel­den von Hass­pos­tings, ver­fügt die Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stel­le Stei­er­mark mit Sitz in Graz über detail­lier­tes Zah­len­ma­te­ri­al aus ganz Öster­reich zum The­ma Hass im Netz. Initia­to­rin von Ban­Ha­te ist Danie­la Gra­bo­vac, Lei­te­rin der Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stel­le Stei­er­mark sowie der Extre­mis­mus­prä­ven­ti­ons­stel­le Stei­er­mark „next – no to extre­mism“. Seit dem Start der App am 19. April 2017 gin­gen mehr als 8300 Mel­dun­gen zu Hass­pos­tings ein. Der über­wie­gen­de Teil der gemel­de­ten Inhal­te betrifft Öster­reich, der Rest ande­re deutsch­spra­chi­ge Län­der. Knapp 90 Pro­zent der gemel­de­ten Pos­tings wur­den auf Face­book ver­öf­fent­licht. Regis­triert sind über die Ban­Ha­te-App rund 1000 Nut­ze­rin­nen und Nut­zer. Seit Mai 2020 ver­fügt die Ban­Ha­te-App auch über eine Erwei­te­rung zum Mel­den von soge­nann­ten Hate Cri­mes. Pro­gram­miert wur­de die App von der Gra­zer Krea­tiv­agen­tur Gold­dig­gers. Finan­ziert wird die App vom Land Stei­er­mark (Res­sort Sozia­les und Inte­gra­ti­on) sowie von der Stadt Graz (Res­sort Sozia­les, Bil­dung und Inte­gra­ti­on).

www.banhate.com

Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­stel­le Stei­er­mark

Andrit­zer Reichs­stra­ße 38 | 1. Stock
8045 Graz

Tel.: +43 316 / 714 137

buero@antidiskriminierungsstelle.steiermark.at
www.antidiskriminierungsstelle.steiermark.at

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