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Coro­na-Kri­se — Die letz­ten Stun­den Öff­nungs­zeit beim K.u.K. Hof­zu­cker­bä­cker Demel


Text: Lukas Wogrol­ly; Fotos: Living Cul­tu­re
Alle Restau­rants und Kaf­fee­häu­ser müs­sen wäh­rend der Coro­na-Kri­se geschlos­sen haben. Living Cul­tu­re war beim Demel kurz vor dem “Shut-down”.

Ich bin Jour­na­list. Und wie uns alle, traf es mich in der Woche ab dem 9. 3. wie ein Keu­len­schlag. Der Blick über die Gren­ze, nach Ita­li­en: Er hat­te mich schon wäh­rend mei­nes drei­wö­chi­gen Inns­bruck-Auf­ent­hal­tes von 13.2.–5.3. beglei­tet. Nicht zuletzt auch, als zunächst der ers­te Coro­na-Fall in Süd­ti­rol bekannt wur­de — und weni­ge Tage spä­ter auch der ers­te Coro­na-Fall in ganz Öster­reich. Aus­ge­rech­net in Inns­bruck und am Faschings­diens­tag. Angst, Sor­ge und die Fra­ge nach einer unge­wis­sen Zukunft hat­ten mich schon damals erfüllt — auch auf der Rück­fahrt mit dem Rail­jet am 5.3. nach Wien. Doch nichts von all dem, was ich bis ein­schließ­lich 8.3. erlebt hat­te, soll­te so ein­schnei­dend sein wie die Maß­nah­men ab 9.3: Zunächst das Ver­bot von Ver­an­stal­tun­gen indoor ab 100 Per­so­nen und out­door ab 500 Per­so­nen. Dass davon nicht nur Sport­ver­an­stal­tun­gen, son­dern auch die gesam­te Kunst- und Kul­tur­sze­ne betrof­fen sein soll­te, wur­de mir erst so rich­tig klar, als ich wäh­rend der Sit­zung des Land­tags Stei­er­mark es aus dem Mund vom zustän­di­gen stei­ri­schen Lan­des­rat für Sport und Kul­tur, Mag. Chris­to­pher Drex­ler, hör­te. Und viel ein­schnei­den­der noch die Nach­richt am Frei­tag, dem 13. März. Ich war in mei­ner Geburts­stadt Voits­berg unter­wegs, genau zwei Mona­te vor mei­nem Geburts­tag. Von Aus­gangs­sper­ren und Restau­rant­schlie­ßun­gen war die Rede. Mei­ne Mut­ter, Living Cul­tu­re Her­aus­ge­be­rin Moni­ka Wogrol­ly, stell­te dazu ein Ton­band auf Face­book, das sich nach der Pres­se­kon­fe­renz von Kanz­ler und Gesund­heits­mi­nis­ter zunächst als “Fake News” her­aus­stel­len soll­te. Da hieß es, Geschäf­te, die nicht für den täg­li­chen Grund­be­darf sind, wie z. B. Buch­hand­lun­gen, Fri­seu­re oder Schuh­ge­schäft, müss­ten zwar ab Mon­tag defi­ni­tiv zusper­ren — ent­ge­gen der nach dem Ton­band geäu­ßer­ten Ver­mu­tung wur­den aber weder Aus­gangs­sper­ren ver­kün­det noch die kom­plet­te Schlie­ßung aller Restau­rants. Bloß eine Limi­tie­rung der Restau­rant­öff­nungs­zeit bis 15 Uhr. In dem Fall sind auch „Fake News“ was äußerst Nütz­li­ches, dach­te ich mir. Wenn sie in einem eine schlim­me Erwar­tungs­hal­tung erzeu­gen und man erleich­tert ist, wenn es dann bei wei­tem nicht so schlimm kommt, wie ver­mu­tet. Umso mehr kann man den Sonn­tag, 15. März – also nur zwei Tage spä­ter — als jenen Tag beschrei­ben, an dem ich das Gegen­teil von erleich­tert war. Denn an die­sem 15. März, der mit der ers­ten Natio­nal­rats­sit­zung an einem Sonn­tag seit ewi­gen Zei­ten ohne­hin in die Geschichts­bü­cher ein­ge­hen soll­te, wur­den die am Frei­tag durch das Ton­band geäu­ßer­ten Befürch­tun­gen Rea­li­tät. Es soll­te sich näm­lich zei­gen, dass die wah­ren „Fake News“ nicht das am Frei­tag ver­öf­fent­lich­te Ton­band sein soll­te, son­dern viel­mehr die Pres­se­kon­fe­renz der Bun­des­re­gie­rung nur weni­ge Stun­den dar­auf.

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Aber alles der Rei­he nach. Ich saß an die­sem Sonn­tag­mor­gen fast allein in einem früh­mor­gend­li­chen Rail­jet von Graz nach Wien. Traum­haf­tes Früh­lings­wet­ter, und ich stand rela­tiv bald nach der Abfahrt um 7:26 Uhr regel­recht unter Schock. Auf Face­book pos­te­te ein gewis­ser Fried­rich, wie ich Stamm­gast beim K.u.K. Hof­zu­cker­bä­cker DEMEL, der Demel wür­de zusper­ren und alle Mit­ar­bei­te­rIn­nen frist­los ent­las­sen! Ich hat­te um 12 Uhr beim Demel reser­viert, und frag­te sogleich, ob er denn wüss­te, ab wann der Demel geschlos­sen haben wer­de. Er mein­te, ab Mon­tag, aber so genau hät­te das nicht mal die Beleg­schaft gewusst. Ein ers­ter gro­ßer Schock für mich als Demel-Stamm­gast. Und dann, kurz nach 9 Uhr war es Herr Kurz, der erneut in mir einen Schock­zu­stand aus­lös­te. Ich saß noch im Rail­jet im Sem­me­ring­ge­biet und ver­folg­te via ORF TVthek die Live-Über­tra­gung der Natio­nal­rats­sit­zung. Und da, im State­ment zu Beginn des Herrn Bun­des­kanz­lers, wie immer ein­ge­lei­tet mit den Wor­ten “Wir leben in außer­ge­wöhn­li­chen Zei­ten. Und die Coro­na-Kri­se wird vie­le Todes­op­fer for­dern. Und außer­ge­wöhn­li­che Zei­ten erfor­dern auch außer­ge­wöhn­li­che Maß­nah­men”, wur­de das ver­kün­det, was die eige­ne Bot­schaft vom Frei­tag von der Pres­se­kon­fe­renz des Herrn Bun­des­kanz­lers und des Herrn Gesund­heits­mi­nis­ters und des Herrn Innen­mi­nis­ters zu „Fake News“ mach­te, wäh­rend es das Prä­di­kat „Fake News“ vom von mei­ner Mut­ter ver­öf­fent­lich­ten Ton­band nahm. Denn, so Bun­des­kanz­ler Sebas­ti­an Kurz, es wür­de ab Mon­tag, also ab dem dar­auf­fol­gen­den Tag schon, eine Ver­kehrs­be­schrän­kung kom­men. Man dür­fe nur noch außer Haus, wenn man trif­ti­ge Grün­de habe. Und, Restau­rants müss­ten bereits ab Diens­tag kom­plett schlie­ßen. Den genau­en Text erspa­re ich hier, denn er ist ohne­hin omni­prä­sent der­zeit, ver­ständ­li­cher­wei­se. Wie so oft in den letz­ten Tagen hieß es auch für mich, mei­ne Plä­ne kom­plett umzu­dis­po­nie­ren. Ich war ziem­lich ent­täuscht und ver­zwei­felt, war ich doch ein flei­ßi­ger Lokal­be­su­cher und Stamm­gast sowohl beim Demel als auch in ande­ren kul­ti­gen Gas­tro­no­mie­be­trie­ben. Eine Welt brach zusam­men.

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Nach der Ankunft in Wien der Anruf beim Demel, ich kom­me erst um 16 Uhr statt um 12 Uhr. „Kein Pro­blem, wir sind kom­plett leer“, hieß es. Und: Am Mon­tag sol­le der Demel bis 15 Uhr noch geöff­net haben. Das war wenigs­tens eine klei­ne, posi­ti­ve Über­ra­schung für mich in die­sen so schwie­ri­gen, weil unge­wohn­ten Zei­ten. Ich ver­folg­te in Ruhe am Han­dy Natio­nal­rats­sit­zung und Bun­des­rats­sit­zung, auch wäh­rend ich an die­sem his­to­ri­schen Tag durch ein fast men­schen­lee­res Wien fuhr und schlen­der­te. Bei traum­haf­tem, früh­lings­haf­tem Wet­ter.

Dann, der letz­te Teil der Bun­des­rats­sit­zung, ich war bereits wie­der ganz nah dort, wo sie statt­fand, im Gro­ßen Redou­ten­saal des Par­la­ment Aus­weich­quar­tiers Hof­burg. Beim Demel erstaun­lich wenig los. Der Kon­takt mit der Beleg­schaft, ich habe gehört, dass Sie schlie­ßen. Aber wir haben ab Diens­tag ohne­hin kei­ne ande­re Wahl. Und hof­fen, dass alles vor­bei geht. Eine Kell­ne­rin mein­te, die der­zei­ti­gen Inha­ber Do&Co wür­den das Lokal ver­kau­fen, an einen Inves­tor wie René Ben­ko oder jemand ande­ren. Statt ande­ren Gäs­ten waren prä­sent: Das Mit­ge­fühl mit der Beleg­schaft, das stän­di­ge Des­in­fi­zie­ren der Hän­de nach jedem Toi­let­ten­gang und die Angst, ange­steckt zu wer­den. Und den­noch genoss ich es auch an die­sem his­to­ri­schen Tag bei wun­der­schö­nem Wet­ter. Am Sonn­tag war Sperr­stun­de wie immer beim Demel um 19 Uhr, danach spa­zier­te ich über Gra­ben und Kärnt­ner Stra­ße zurück durch ein fast men­schen­lee­res Wien.

Und den­noch, nichts soll­te den letz­ten Tag beim Demel top­pen. Es war Mon­tag, der 16. März. Wie immer mach­te ich mich mit der U‑Bahn früh­mor­gens kurz nach 7:15 Uhr auf zum Karls­platz.

Weni­ge Men­schen in der U‑Bahn, weit weni­ger als sonst. Weil alle ange­hal­ten waren, Home­of­fice zu machen bezie­hungs­wei­se gar nicht mehr raus­zu­ge­hen.

Als ich die U‑Bahn bei der Sta­ti­on Karls­platz, wie immer, wenn ich früh­mor­gens der Ers­te beim Demel sein will, ver­las­se, und direkt vor der Staats­oper wie­der an die Ober­flä­che kom­me, weiß ich, wel­che Stun­de geschla­gen hat. Ich ach­te, wie nach jeder U‑Bahn-Fahrt zu die­ser Zeit, auf das Des­in­fi­zie­ren mei­ner Hän­de, was ich mit dem Des­in­fek­ti­ons­mit­tel in mei­ner Jacken­ta­sche erle­di­ge. Kaum Men­schen vor der Staats­oper, ein biss­chen frisch. Das unter­schei­det die­sen Tag von den ande­ren Demel-Mor­gen nicht beson­ders. Denn hier in der Innen­stadt ist es tag­täg­lich, auch ohne Coro­na, um die­se Zeit, kurz nach 7:30 Uhr, recht ruhig. Es herrscht die redens­art­li­che Ruhe vor dem Sturm. Dort, wo ab dem Vor­mit­tag bis zum Abend sich unzäh­li­ge Tou­ris­ten tum­meln, dort wo fast den gan­zen Tag High Life ist, dort ist es um die­se Zeit noch still und ruhig. Ich lie­be die­sen Kon­trast früh­mor­gens zur hek­ti­schen U‑Bahn. Die heu­te, trotz Werk­tag, alles ande­re als hek­tisch war. Ich mer­ke, ich muss mei­nen Schritt etwas beschleu­ni­gen, um pünkt­lich zur Öff­nung um 8 Uhr vor dem Demel zu sein. Vor­bei an Alber­ti­na und Augus­ti­ner­kir­che kom­me ich zum Josefs­platz, wo ich kurz inne­hal­te und ste­hen­blei­be. Wie mei­ne Mut­ter mit ihren vie­len psy­cho­the­ra­peu­ti­schen Rat­ge­ber­vi­de­os auf You­Tube mache auch ich mit dem Han­dy ein ein­mi­nü­ti­ges Sel­fie-Video. Hin­ter­grund sind kei­ne Rat­schlä­ge, son­dern der Gro­ße Redou­ten­saal der Wie­ner Hof­burg im Par­la­ment Aus­weich­quar­tier. Hier wur­den im Rah­men der Son­der­sit­zun­gen zu Natio­nal­rat und Bun­des­rat am Tag davor die äußerst ein­schnei­den­den, aber lebens­not­wen­di­gen und lebens­er­hal­ten­den Maß­nah­men beschlos­sen. Mit denen wir nun, heu­te, Stand 20. März, min­des­tens bis Oster­mon­tag 13. April — also genau 1 Monat vor mei­nem Geburts­tag und 1 Monat nach der Ver­kün­dung von Maß­nah­men wie flä­chen­de­cken­den Geschäf­te­schlie­ßun­gen — leben müs­sen. Das wuss­te ich am 16.3. noch nicht und konn­te es auch nicht wis­sen. Dann der Michae­ler­platz. Das Starbuck’s und die Aus­gra­bun­gen in der Mit­te. Ich wen­de mich nach rechts in Rich­tung Kohl­markt, sehe noch die nicht benüt­zen Stüh­le und Son­nen­schir­me beim Demel. Kei­ne Spur, dass hier nichts mehr so sein soll­te wie bis­her. Nur einen Hin­weis gibt es. Die Buch­hand­lung Manz neben dem Demel hat bereits den Hin­weis kle­ben, dass sie geschlos­sen hat. Ich mache zwei Vide­os. Und dann geht es los, der letz­te Tag beim Demel.

Anfangs ist es noch rela­tiv nor­mal um die­se Zeit, dass der Demel ver­waist ist bezie­hungs­wei­se nicht all­zu viel los. Doch als ich mich dann so gegen 9 Uhr mit einer Kell­ne­rin unter­hal­te, meint sie, so kom­plett leer sei der Demel auch an einem Mon­tag­vor­mit­tag nahe­zu nie. In der Tat bin ich bis auf ein paar Schü­le­rin­nen, die Coro­na­vi­rus bedingt frei haben, an der Bar der ein­zi­ge Gast. Und die Kell­ne­rin ruft mir wie­der die am Tag davor nur weni­ge Meter vom Demel, im Par­la­ment Aus­weich­quar­tier Hof­burg, von Kanz­ler Kurz ver­kün­de­te eigent­li­che Aus­gangs­sper­re in Erin­ne­rung, oder sagen wir bes­ser Ver­kehrs­be­schrän­kung dazu, so der offi­zi­el­le Name. Nur aus trif­ti­gen Grün­den darf man die eige­nen vier Wän­de ver­las­sen — den genaue­ren Text bzw. Wort­laut erspa­re ich hier, der dürf­te ohne­hin all­ge­mein bekannt sein.

Ich fra­ge mich, wie wür­de ich im Fal­le einer Poli­zei­kon­trol­le reagie­ren. Ganz ein­fach: Neben dem Umstand, dass ich auf gutes, fri­sches Essen wie hier beim Demel abso­lut ange­wie­sen bin, wür­de ich auf die etwas absur­de Tat­sa­che anspie­len, dass zwar an die­sem Tag Mon­tag, 16. März bereits Aus­gangs­sper­re gilt, Loka­le aber noch bis 15 Uhr offen haben dür­fen. Zudem wür­de ich den wohl wich­tigs­ten Grund anfüh­ren. Es ist die­ser Text für unse­re Living Cul­tu­re Home­page, damit auch Sie alle in Zei­ten wie die­sen der häus­li­chen Qua­ran­tä­ne lau­fend Infos bekom­men. Einen unver­schieb­ba­ren beruf­li­chen Ter­min nennt man das. Die letz­ten Stun­den des Demel vor­läu­fig zu doku­men­tie­ren. Ich rech­ne auch mit Kame­ra­teams, die die­sen trau­ri­gen his­to­ri­schen Tag fest­hal­ten wol­len. Letzt­end­lich kommt aber in den 7 Stun­den Öff­nungs­zeit weder ein Poli­zist noch ein ande­rer Jour­na­list. Es kommt jemand von der Feu­er­wehr bezie­hungs­wei­se vom Sicher­heits­dienst. Aber nur bis zur Bar. Und es kommt auch Wolf­gang Schüs­sel, wie ich aus der Ent­fer­nung zu erken­nen mei­ne. Er geht nicht mal bis zur Bar, son­dern kauft sich nur was im Shop im Ein­gangs­be­reich.

Und dann kom­men in die­sen lan­gen und doch kurz­wei­li­gen letz­ten sie­ben Demel Stun­den auch „ganz nor­ma­le Men­schen“. Die Schü­le­rin­nen habe ich schon erwähnt. Dann mei­ne Mut­ter, die ich erst­mals nach ihrem Male­di­ven Auf­ent­halt sehe, nach über 4 Wochen. Ich hal­te Abstand, was beim Demel an die­sem Tag aus­nahms­wei­se kein Pro­blem dar­stellt. Gleich­zei­tig mit mei­ner Mut­ter ist auch anwe­send ein Beam­ter des Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­ums. Er meint, Landt­mann, Quer­feld, Sacher, Schwar­zen­berg, Cen­tral. Alle ande­ren gro­ßen Wie­ner Kaf­fee­häu­ser hät­ten am die­sem letz­ten Tag ihrer Öff­nung bereits vor­ab geschlos­sen, wür­den die­sen Tag also gar nicht mehr wahr­neh­men. Nur der Demel habe noch geöff­net. Vor­ne, im Ein­gangs­be­reich, sind eini­ge der von Do&Co gekün­dig­ten Mit­ar­bei­te­rin­nen, sie ver­sam­meln sich für eine Art Betriebs­ver­samm­lung. Unge­ach­tet des­sen geht der spär­li­che, aber den­noch an die­sem letz­ten Tag noch auf­rech­te Betrieb wei­ter.

Ich esse, nach­dem sowohl der Hee­res­ge­schicht­ler als auch mei­ne Mut­ter längst wie­der weg sind und nach­dem ich wie immer ein biss­chen Zei­tung gele­sen habe, mein Mit­tag­essen. Ein beson­ders gro­ßes Wie­ner Schnit­zel ist es dies­mal, mit Gur­ken­sa­lat und Kar­tof­fel­sa­lat wie immer beim Demel. Eine Gäs­tin auf dem Diwan neben mir sagt, sie habe ihren Flug erst am Abend und wür­de des­halb hier noch Zeit ver­brin­gen. Mit den Kell­ne­rin­nen ver­su­che ich ein biss­chen, die­se schwie­ri­ge Situa­ti­on zu erör­tern, und zei­ge mein Mit­ge­fühl, wie schon am Sonn­tag, dem Tag davor. Ich ver­mei­de es aber auch, zu viel über die­ses The­ma zu spre­chen. Ein älte­rer Herr will hin­auf in den ers­ten Stock. Er wird von einem Kell­ner auf der Stie­ge ange­spro­chen, dass er, da Teil der Risi­ko­grup­pe, das bes­ser las­sen soll. Und wird wie­der weg­ge­schickt, wohl auch weil der Kell­ner selbst Teil der Risi­ko­grup­pe ist. Und dann war da noch ein jun­ges Paar, so Anfang Mit­te 20.

Er aus Bra­si­li­en und sie aus Russ­land (oder umge­kehrt, ich weiß es nicht mehr genau). Ich spre­che mit ihnen auf Eng­lisch über die der­zei­ti­ge Situa­ti­on. Die bei­den schei­nen es noch zu genie­ßen, pros­ten sich zu. Und wenn ich die bei­den so sehe, so ist das ein Sym­bol­bild für mich für “Schnell noch­mal sich ver­gnü­gen, denn bald ist es vor­bei”. Bis auf den Sekt den ich als Teil des Gro­ßen Demel Früh­stücks bereits früh­mor­gens qua­si auf nüch­ter­nen Magen getrun­ken hat­te, ver­zich­te ich auf Alko­hol. Wie auch sonst bei den meis­ten ande­ren Demel-Besu­chen, mal abge­se­hen von Sil­ves­ter und Neu­jahr. Zwi­schen­zeit­lich den­ke ich mir, dass ich das noch erle­ben darf. Wie wenn ich beim Demel bezie­hungs­wei­se in einem Restau­rant rau­chen wür­de, so kom­me ich mir ein biss­chen vor, ange­sichts der ver­häng­ten Aus­gangs­sper­re die ich aber mit beruf­li­chen Grün­den — die­ser Bei­trag hier — gut hät­te begrün­den kön­nen.

Letzt­end­lich kam nie­mand von der Poli­zei zum Demel an die­sem letz­ten Öff­nungs­tag. Und auch ich ver­ab­schie­de­te mich nach dem Bezah­len der Rech­nung von zir­ka 110€ zunächst vom Paar neben mir. Und dann auch von den „Deme­line­rin­nen“ (die Kell­ne­rin­nen beim Demel) im Ein­gangs­be­reich. Da habe ich die­se letz­ten Stun­den Öff­nungs­zeit noch so rich­tig aus­kos­ten kön­nen, mei­ne ich im Vor­bei­ge­hen. Und wün­sche ihnen Alles Gute, und dass ich mich freu­en wür­de auf ein Wie­der­se­hen mit der einen oder ande­ren. Ich war ja immer­hin die letz­ten 10 Stun­den Öff­nungs­zeit dort. Im Ein­gangs­be­reich ste­hend, grei­fe ich zur Han­dy-Kame­ra und gehe fil­mend hin­aus. Viel weni­ger los auf den Stra­ßen, viel weni­ger los in der Fuß­gän­ger­zo­ne.

Ein strah­len­der Son­nen­schein­tag. Der Him­mel lacht über Wien. Und den­noch, kaum Men­schen auf den Stra­ßen. Nur die Poli­zei fährt am Kohl­markt und Gra­ben ent­lang um die Schlie­ßung der Restau­rants um 15 Uhr zu kon­trol­lie­ren. Bei Aida am Ste­phans­platz nimmt sich ein Poli­zist noch was mit von der Kon­di­to­rei. Ich mache Fotos und Vide­os, teils Sel­fie teils nicht Sel­fie, am Kohl­markt, am Gra­ben, am Ste­phans­platz, auf der fast men­schen­lee­ren Kärnt­ner Stra­ße. Und zu guter Letzt auch wie­der vor der Staats­oper. Hier bin ich früh­mor­gens an die Ober­flä­che gekom­men und auch hier ver­schwin­de ich an die­sem strah­lend blau­en März­nach­mit­tag wie­der im Unter­grund. Aber ich ver­schwin­de nicht nur von der Ober­flä­che, son­dern ich ver­las­se auch für unbe­stimm­te Zeit die Wie­ner City. Daheim­blei­ben ist nun ange­sagt, und dazu rate ich im Inter­es­se aller Men­schen die­ser Erde auch Ihnen, die Sie die­sen Text jetzt lesen. In der Hoff­nung, dass die­ser Zustand kein ewi­ger sein kann und wir schon bald dort­hin zurück­keh­ren kön­nen, wo wir immer waren. Zum Demel und zu unse­ren all­täg­li­chen Freu­den des sozia­len Kon­takts, des Zusam­men­seins. Wie heißt es doch: Die Hoff­nung stirbt zuletzt.

 

 


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