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Was wir fordern - Minderheiten im Haus der Geschichte Österreich


Text: Lukas Wogrolly / Living Culture, Ann Cathrin Frank / HDGÖ; Fotos: Lukas Wogrolly / Living Culture, Frimmel/bidok, HOSI Wien, Reinhard Loidl / Valerie und Harri Stojka, eSeL.at - Lorenz Seidler
Die neueste Ausstellung im HDGÖ zeigt die Geschichte von Minderheiten in Österreich.

Zugegebenermaßen. Auch wenn sich dieser Text beziehungsweise die Ausstellung, deren Vernissage ich am 24. Oktober 2022, bewusst genau zwei Tage vor dem österreichischen Nationalfeiertag besuchte, um ein ernstes Thema dreht, nämlich Geschichte und momentane Situation von Minderheitenbewegungen in Österreich, beginne ich ihn mit einer kleinen Provokation. Allerdings nicht inhaltlicher Natur, denn dafür ist das Thema freilich zu sensibel. Vielmehr rein formaler Natur. Die Provokation lautet: Wer „nur“ an den „hard facts“ dieser Vernissage und Ausstellung interessiert ist, der/die möge doch gleich ein bisschen weiter runter scrollen. Zum offiziellen Pressetext der Medienverantwortlichen des Hauses der Geschichte Österreich, abgekürzt hdgö, der gleich auf diesen persönlichen Prolog folgt.

Zunächst mein persönlicher Zugang, mein subjektiver Eindruck. Und der lautet wie folgt: Diese Wanderausstellung ist klein, aber oho. Sie findet im Foyer des Hauses der Geschichte Österreich hdgö Platz, in einem kleinen, offenen Raum und besteht aus lediglich zwei zirka 5 Meter langen Reihen von Schautafeln, die jedoch auf beiden Seiten bedruckt sind. Es gibt keine übermäßig großen Wandportraits wie beispielsweise bei der Anfang Oktober zu Ende gegangenen Multimedia-Schau in der Wiener Marx-Halle „KLIMT- the ultimative experience“, keine Audioaufnahmen und auch keine dreidimensionalen Objekte wie in „Hitler entsorgen“ im OG des hdgö, noch bis 8.1. Lediglich Schautafeln. Das möchte ich nun aber keinesfalls negativ sehen, denn in der Kürze liegt oft bekanntlich die Würze.

Wovon handeln nun diese Schautafeln? Ganz einfach, von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Minderheitenbewegungen in Österreich. Wobei die Dimension, die Frage nach der Zukunft meist mit der Frage einher geht, die zugleich der Titel der Ausstellung ist: „Was wir fordern“. Was Minderheitenbewegungen konkret momentan fordern, was sie in der Vergangenheit forderten und was sie bisher erreicht oder auch nicht erreicht haben, ist Thema der Schau. Näher möchte ich das auch nun nicht inhaltlich erläutern, denn sonst wäre jeder Besuch überflüssig, würde ich alles vorab vorwegnehmen. Nur noch eines diesbezüglich: Wie kam es überhaupt zur Entstehung dieser Minderheit in Österreich und welche Probleme hatte sie, sind weitere Themen der Ausstellung.

Inhaltlich ein letzter Aspekt, bevor ich noch auf die feierliche Vernissage eingehen werde. Oft ist der Begriff „Minderheit“ gefallen, doch um welche Minderheiten geht es hier konkret? Zum einen natürlich um Minderheiten im klassischen Sinn. So ziemlich das, was mir sofort einfällt bei dem Begriff „Minderheit in Österreich“. Da wären die sprachlichen Minderheiten, also im konkreten Fall die kroatische Minderheit im Burgenland rund um Großwarasdorf und Stinatz, von der eine prominente Vertreterin die ehemalige Nationalratsabgeordnete von 1990 bis 2007 der Grünen Terezija Stoisits ist, die selbst auf der Vernissage war. Auf einer Schautafel ist auch ein Foto von 2011 zu sehen, auf dem Burgenland-Kroaten die damaligen burgenländischen Minister Berlakovich (ÖVP) und Darabos (SPÖ) auf deren kroatische Wurzeln offenbar hinweisen. Und dann gibt es die in Südösterreich auch durch die Zeit von Jörg Haider als ehemaliger Landeshauptmann von Kärnten und den damit verbundenen lange währenden Ortstafelstreit oft nur zu gut bekannte Volksgruppe der Kärntner Slowen:innen. Ob nun die momentan einzige Grüne Kärntner Nationalratsabgeordnete Olga Voglauer, die Chefin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark Daniela Grabovac oder die in Graz bekannte freie Schauspielerin Rezka Kanzian, mir persönlich sind Angehörige dieser Volksgruppe persönlich gut bekannt. Die sprachlichen Minderheiten wären die eine klassische Art der Minderheit. Ebenso klassisch mit dem Begriff „Minderheit“ assoziiert ist für mich die ethnische Minderheit. Und die religiöse Minderheit. Abseits dieser „klassischen“ Minderheiten wird in dieser kleinen, aber konzentrierten Schau die Situation jener kleineren Bevölkerungsgruppen ebenso durchleuchtet, die man nicht unbedingt mit dem Begriff „Minderheit“ bringt. Da wäre der Verein „Selbstbestimmt Leben“ als Sprachrohr in Österreich für all jene Menschen, die man bis vor Kurzem noch mit dem diskriminierenden Adjektiv „behindert“ beschrieb. „Menschen mit Behinderung“ wollen sie genannt werden und persönliche Beispiele habe ich auch hier einige: Der zu früh verstorbene frühere Schulkollege meiner Mutter Sebastian Ruppe, der ehemalige ÖVP-Nationalratsabgeordnete Franz-Joseph Huainigg oder die ehemalige Grüne nicht hörende Nationalratsabgeordnete Helene Jarmer. Ihrem Einsatz ist es zu danken, dass mittlerweile alle Wiener U-Bahn-Stationen barrierefrei sind oder bei fast allen Kreuzungen die Gehsteige abgeschrägt. Nichtsdestotrotz bleibt noch viel zu tun. Last but not least ebenso wenig auf den ersten Blick unbedingt als klassische Minderheit gesehen wird die Gruppe der Homosexuellen. Bis Anfang der 1990er Jahre war Homosexualität noch als psychiatrische Erkrankung eingestuft; erst 2016 war Adoption erlaubt und 2018 schließlich die gleichgeschlechtliche Ehe. Eine maßgebliche Rolle spielte hierbei immer wieder der Verfassungsgerichtshof. Erst 2022 wurde das Blutspendeverbot für Homosexuelle aufgehoben. Und der Begriff „homosexuell“ ist ohnehin mittlerweile ein „Pars pro toto“ für die Gesamtheit der sogenannten LGBTIQ-Bewegung, also lesbian-gay-bisexual-transsexual-intersexual-queer. Da geht es also, ohne diese Englische Abkürzung im Detail zu erläutern, nicht nur um Menschen, die Menschen desselben biologischen Geschlechts lieben. Sondern auch um jene, die sich im falschen Körper geboren fühlen. Der Christopher Street Day und die Regenbogenparade sind genauso wie Regenbogenbänke und Regenbogenzebrastreifen Ausdrucksform dieser Bewegung. Die wohl berühmtesten politischen VertreterInnen sind die ehemalige Grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek, die derzeitige Grüne Nationalratsabgeordnete polnischer Herkunft Ewa Ernst-Dziedzic oder auch der ÖVP-Nationalratsabgeordnete aus Wien-Favoriten Nico Marchetti.

Zum Abschluss dieses persönlichen Zugangs zu dieser Ausstellung noch ein Rückblick auf die nicht zufällig zwei Tage vor dem Nationalfeiertag stattgefundene Vernissage. Am Abend des 24. Oktober 2022 versammelte sich eine illustre Runde im Foyer des an diesem Tag, da ein Montag, offiziell geschlossenen HDGÖ. Von Seiten der Politik anwesend waren neben der Burgenland-Kroatin Terezija Stoisits auch die Landessprecherin der Grünen Burgenland, Regina Petrik, deren Mutter einst für die ÖVP politisch aktiv gewesen war, und natürlich die amtierende Grüne Justizministerin Alma Zadić. Sie ergriff das Wort ebenso wie HDGÖ-Direktorin Monika Sommer oder auch die beiden Kuratorinnen Cornelia Kogoj und Mirjam Karoly. Ebenso anwesend war die Direktorin der Österreichischen Nationalbibliothek Johanna Rachinger. In der Rede der Justizministerin untermauerte sie die Rolle der Justiz im Zusammenhang der Integration von Minderheiten. Genau das bringt mich nun zur nahtlosen Überleitung zum nun folgenden offiziellen Text über die Vernissage.


Was wir fordern! Wanderausstellung über Minderheitenbewegungen neu im hdgö 

Ab 25. Oktober 2022 ist die Schau „Was wir fordern! Minderheitenbewegungen in Österreich“ im Foyer des Hauses der Geschichte Österreich (hdgö) zu sehen. Ob die Kämpfe für zweisprachige Ortstafeln, die Bemühungen von Rom*nja und Siniti*zze um Anerkennung als österreichische Volksgruppe oder das Ringen gegen die Kriminalisierung der Homosexualität: Die Wanderausstellung der Initiative Minderheiten bringt eindrucksvoll ins Bewusstsein, welcher Anstrengungen es bedarf, um gleiche Rechte in Geschichte und Gegenwart zu erwirken. Dabei zeigt sie auch, welche Bevölkerungsgruppen immer noch gegen Diskriminierungen zu kämpfen haben – sei es wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder einer Behinderung. Am 24. Oktober 2022 eröffnete die Ausstellung mit Justizministerin Alma Zadić.

Wir stehen heute da, wo wir sind, weil schon so viele Aktivist*innen vor uns gekämpft haben.“ Die Sprecherin des Black Voices Antirassismus-Volksbegehrens Noomi Anyanwu ist eine von zahlreichen Aktivist*innen, die in der Ausstellung „Was wir fordern! Minderheitenbewegungen in Österreich“ zu Wort kommen. Die Schau schildert Geschichte und Geschichten sowie die Forderungen von insgesamt zwölf Minderheitengruppen, die für gleiche Rechte eintreten. Schautafeln präsentieren die Selbstbestimmt-Leben-Bewegung (ein Teil der österreichischen Behindertenbewegung), Geflüchtete, Arbeitsmigrant*innen, Schwarze Menschen, die kroatische Volksgruppe, Jüd*innen, Kärntner Slowen*innen, Rom*nja, Muslim*innen, die Lesbenbewegung, die Homosexuellenbewegung und die Transbewegung in Österreich. Die Wanderausstellung der Initiative Minderheiten ist ab 25. Oktober 2022 im Foyer des Hauses der Geschichte Österreich (hdgö) zu Gast.

Justizministerin Alma Zadić, die an der Eröffnung teilnahm, betonte: „Kulturelle Vielfalt und demokratische Gleichheit gehen Hand in Hand und gehören zu den Grundfesten unserer liberalen Demokratie. Die Ausstellung zeigt, wie viel die Kämpfe einzelner Minderheitsbewegungen bereits bewirkt haben – der Weg ist aber noch nicht zu Ende. Mir als Justizministerin ist es wichtig, Vielfalt zu leben, Diversität zu fördern und gleiche Rechte für alle zu verankern. Wir brauchen einen starken Diskriminierungsschutz, der echte Gleichstellung gewährleistet. Nur so stärken wir ein gerechtes Miteinander.“

Die Ausstellung zeigt anschaulich, welche Anstrengungen in den vergangenen Jahrzehnten notwendig waren, um gleiche Rechte für Minderheiten in Österreich zu schaffen. Sie zeichnet ein eindringliches Bild des langen Kampfes gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. Zugleich wird aber deutlich, dass noch lange nicht alle Ziele erreicht sind. Deshalb ist es uns ein großes Anliegen, durch Ausstellungen wie diese möglichst breites Bewusstsein zu schaffen und einen Schritt weiter in Richtung Gleichstellung zu kommen", sagte hdgö-Direktorin Monika Sommer.

Kuratorin Cornelia Kogoj: „Wir haben die Wanderausstellung konzipiert und umgesetzt, um die Vielfalt minoritärer Bewegungen zeigen. Denn die Initiative Minderheiten arbeitet seit mehr als dreißig Jahren mit dem Ansatz der minoritären Allianzen, der auf vergleichbare Diskriminierungsformen aufmerksam macht, um minderheitenübergreifend gegen Rassismus, Antiziganismus, Antisemitismus, Antiislamismus, Homophobie und Behindertenfeindlichkeit vorzugehen. Die Kooperation mit dem hdgö ermöglicht, unsere Anliegen möglichst vielen Besucher*innen an einem zentralen Ort der Republik zu präsentieren.

Zur Ausstellung
Im Mittelpunkt von „Was wir fordern!“ stehen die Geschichte und die zentralen Forderungen von unterschiedlichen Minderheiten-Gruppen in Österreich. Autor*innen aus minoritären Gruppen – meist Aktivist*innen – werfen einen fokussierten Blick auf deren Geschichte und präsentieren wesentliche minderheitenpolitische Forderungen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Aktivistische wie auch juristische oder parlamentarische Formen des Protests erweisen sich als untrennbar damit verbunden.

Die Ausstellung verdeutlicht, welche Anstrengungen, welche Ausdauer und welche Allianzen notwendig waren, um Diskriminierungen zu beseitigen und gleiche Rechte zu erkämpfen. Geschildert werden beispielsweise die historischen Kämpfe für zweisprachige Ortstafeln und Schulen in Kärnten und im Burgenland, das Ringen um die Anerkennung von Rom*nja und Siniti*zze als österreichische Volksgruppe oder die politischen Auseinandersetzungen um die Abschaffung des § 209 StGB, der die Homosexualität kriminalisierte, und die Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention.

„Was wir fordern! Minderheitenbewegungen in Österreich“ ist eine Ausstellung der Initiative Minderheiten, gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Kuratorinnen sind Jessica Beer und Cornelia Kogoj. Die Ausstellungsbeiträge stammen von Hager Abouwarda, Persson Perry Baumgartinger, Andreas Brunner, Ali Gedik, Petra Flieger, Margit Hauser, Mirjam Karoly, Birge Krondorfer, Herbert Langthaler, Eleonore Lappin-Eppel, Lydia Novak, Volker Schönwiese, Vanessa Spanbauer und Vladimir Wakounig. Mit Statements von: Noomi Anyanwu, Heline Ahmad, Ara Badrtarkhanian, Isabel Frey, Lara Guttmann, Dunia Khalil, Elisabeth Magdlener und Samuel Mago.

Zur Ausstellung: Was wir fordern! Minderheitenbewegungen in Österreich

Das Haus der Geschichte Österreich (hdgö)
Das Haus der Geschichte Österreich ist das erste zeitgeschichtliche Museum des Bundes. Angesiedelt am geschichtsträchtigen Heldenplatz in der Neuen Burg, bietet das hdgö in seinen Ausstellungen Einblicke in die wichtigsten politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts bis ins Heute. Außergewöhnliche Objekte, teils noch nie gezeigte Dokumente und interaktive Medienstationen machen Zeitgeschichte für Klein und Groß erlebbar – in historischen Räumen mit zeitgemäßer Architektur und Gestaltung.  Viele spannende Fragen und Themen der österreichischen Zeitgeschichte mit Blick auf Gegenwart und Zukunft werden in Themenführungen, Workshops und Veranstaltungen diskutiert. Für alle, die unterwegs oder zu Hause neugierig auf Geschichte sind: Eigene Web-Ausstellungen, aktuelle Schwerpunktthemen und interaktive Bildersammlungen bieten unter www.hdgoe.at immer wieder Neues aus der Vergangenheit.

 

Haus der Geschichte Österreich

Österreichische Nationalbibliothek

Standort: Neue Burg, Heldenplatz, Wien

Straßenbahn: 1, 2, D, 71 Burgring

U-Bahn: U2/U3 Volkstheater, Ausgang: Dr. Karl Renner Ring

Tel: +43 153410 805 (Fragen zu Tickets und Öffnungszeiten)

Tel: +43 153410 799  (Fragen zu Führungen und Workshops)

Tel: +43 153410 801 (Büro des Hauses der Geschichte Österreich)

office@hdgoe.at

 

Informationen zu Führungen: www.hdgoe.at/fuehrungen

Angebote für Schulklassen: www.hdgoe.at/schulen

Nachfragen zu Führungen und Workshops: vermittlung@hdgoe.at

 

Barrierefreier Zugang

 

Eingang beim Mitteltor der Neuen Burg (Auffahrt linke Rampe; rechter Torflügel aufsperrbar mit Eurokey oder Anmeldung über Gegensprechanlage). Die Kassa des hdgö ist über einen Lift erreichbar.

Telefonische Voranmeldung möglich unter: +43 (1) 53410-805

Parkplätze für mobilitätseingeschränkte Personen befinden sich im Kurzparkzonenbereich am Heldenplatz.

 





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