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Wien-Wahl 2025 – nichts ist wie vor­her


Text und Fotos: Lukas Wogrol­ly / Living Cul­tu­re
Die Gemein­de­rats- und Land­tags­wahl in Wien brach­te das erwart­ba­re Ergeb­nis. Für die Grü­nen lief es weit bes­ser als ursprüng­lich ange­nom­men.

Die Auf­re­gung war groß, als Wiens Bür­ger­meis­ter Micha­el Lud­wig am 17. Jän­ner 2025 plötz­lich ver­kün­de­te, dass die zuletzt immer Mit­te Okto­ber statt­ge­fun­de­ne Gemein­de­rats- und Land­tags­wahl in Wien auf ein­mal bereits am Sonn­tag nach Ostern, dem 27. April 2025, statt­fin­den soll­te. Nicht ein­mal Covid hat­te etwas am ver­gan­ge­nen Wahl­ter­min am 11. Okto­ber 2020 geän­dert.

Und so ver­mu­te­ten vie­le dahin­ter ein wahl­tak­ti­sches Motiv: Immer­hin waren erst weni­ge Wochen davor auf Bun­des­ebe­ne die Ver­hand­lun­gen einer Drei­er­ko­ali­ti­on von ÖVP, SPÖ und NEOS geplatzt. Die­se Koali­ti­on war bereits vor der Natio­nal­rats­wahl im Herbst 2024 als sicher erschie­nen, und da das Wahl­er­geb­nis kei­ne gro­ßen Über­ra­schun­gen gebracht hat­te, war nach fast drei­mo­na­ti­gen Ver­hand­lun­gen Anfang 2025 ein Ende und somit eine Eini­gung erwar­tet wor­den. Jedoch stie­gen am 03.01.2025 zunächst die NEOS aus und kur­ze Zeit spä­ter auch die ÖVP.
Dar­auf­hin hat­ten die vor der Natio­nal­rats­wahl noch für fast unmög­lich geschie­ne­nen Ver­hand­lun­gen einer Koali­ti­on zwi­schen FPÖ und ÖVP mit Her­bert Kickl als Kanz­ler begon­nen. Und genau hier­bei ver­mu­te­ten vie­le ein tak­ti­sches Manö­ver von Lud­wig hin­ter dem vor­ge­zo­ge­nen Wahl­ter­min, den die SPÖ in Gemein­de­rat und Land­tag mit ihrer Mehr­heit zusam­men mit den NEOS erwir­ken kön­ne: Man wol­le sich als sozia­les Gegen­mo­dell in Wien auf Lan­des- und Gemein­de­ebe­ne zu Blau-Tür­kis im Bund mit Kanz­ler Kickl posi­tio­nie­ren.
Wir alle wis­sen, die­se Stra­te­gie ging inso­fern nicht auf, als im Febru­ar auch die Ver­hand­lun­gen zwi­schen ÖVP und FPÖ schei­ter­ten. Und man sich somit erst wie­der auf die Anfang des Jah­res auf­ge­ge­be­nen Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen zwi­schen Tür­kis, Rot und Pink beson­nen hat. Und aus­ge­rech­net am Rosen­mon­tag, dem 3.3.25, letzt­end­lich auch die ers­te Drei­er­re­gie­rung in der Geschich­te der Zwei­ten Repu­blik von Bun­des­prä­si­dent Alex­an­der Van der Bel­len ange­lobt wer­den konn­te. Nach den längs­ten Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen in der Geschich­te der Zwei­ten Repu­blik.

Kom­men wir nun zur Wien-Wahl von 27.04.2025, spe­zi­ell auf die letz­ten 2 Tage vor der Wahl sowie natür­lich auch zum Wahl­tag selbst. Wie schon zuletzt bei den ver­gan­ge­nen Land­tags­wah­len in der Stei­er­mark Ende Novem­ber 2024 sowie im Bur­gen­land Mit­te Jän­ner 2025, ver­such­te ich mich bei der von Okto­ber 2025 auf 27. April 2025 vor­ge­zo­ge­nen Wahl im Stra­ßen­wahl­kampf. Und ähn­lich wie zuletzt bei der Natio­nal­rats­wahl Ende Sep­tem­ber 2024 stand auch in Wien die Begeg­nung mit einer Grü­nen —  in die­sem Fall: Ex-Minis­te­rin — im Mit­tel­punkt.

An einem reg­ne­ri­schen Frei­tag, dem 25. April 2025, begab ich mich in die Bun­des­haupt­stadt. Mein ers­ter Weg führ­te mich bei strö­men­dem Regen zu einem Blu­men­ge­schäft, wo ich eine Bestel­lung abhol­te. Dar­auf­hin ging es mit dem Blu­men­strauß ins Muse­ums­quar­tier, wo – zum Glück in einem Indoor-Bereich – der Wahl­kampf der Grü­nen Wien sich dem Ende zuneig­te. Alles wie gewohnt, Anspra­chen der Spit­zen­kan­di­da­tin Judith Püh­rin­ger sowie der ehe­ma­li­gen Minis­te­rin­nen und nun­meh­ri­gen Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ten Alma Zadic und Leo­no­re Gewess­ler. Kaum waren die Reden vor­bei, nahm ich den Blu­men­strauß von der Gar­de­ro­be nach vor­ne und beweg­te mich ziel­stre­big in Rich­tung der frü­he­ren Kli­ma- und Ver­kehrs­mi­nis­te­rin Gewess­ler aus der Stei­er­mark, ihres Zei­chens desi­gnier­te Grü­ne Bun­des­spre­che­rin. Sobald es sich ergab, über­reich­te ich ihr den Blu­men­strauß, sowie ein Arran­ge­ment mit eini­gen Gegen­stän­den aus dem Stei­ri­schen Hei­mat­werk – in Aner­ken­nung ihres Ein­sat­zes der ver­gan­ge­nen 5 Jah­re. Dabei lich­te­te uns die Grü­ne Bun­des­rä­tin Eli­sa­beth Kittl mit dem Han­dy ab. Auf­grund der der all­ge­mei­nen Hek­tik zwei Tage vor der Wahl war es unmög­lich, die Sym­bo­lik bei­der Geschen­ke zu erläu­tern. Dann Speis und Trank: „Als Speis“ gab es vega­nes Eis, erin­nern kann ich mich an Kiwi, Him­beer und Erd­beer, in Tüte oder Becher aus­ge­fer­tigt von der Grü­nen Spit­zen­kan­di­da­tin Judith Püh­rin­ger. Zu trin­ken Bier, Wein, Saft und Was­ser. Irgend­wann ver­ließ ich die Ver­an­stal­tung bei strö­men­dem Regen am frü­hen Abend.

Am 26. April führ­te mich mein Weg am spä­ten Mor­gen in den Zwei­ten Bezirk, zu einer der letz­ten Wahl­kampf­ak­tio­nen. Am Kar­me­li­ter­markt waren ÖVP-Spit­zen­kan­di­dat Karl Mah­rer, die Lis­ten­ers­te der NEOS und Archi­tek­tin aus eben­die­sem Bezirk, Sel­ma Ara­po­vic, und natür­lich auch eini­ge Grü­ne. Als ich hin­kom­me zum Wahl­stand, ist weder Judith Püh­rin­ger noch Leo­no­re Gewess­ler anwe­send. Es gibt Aus­tausch mit eini­gen Akti­vis­tIn­nen. Und ich tref­fe auf den Grü­nen Kan­di­da­ten für die Bezirks­vor­ste­hung, Bern­hard Seitz. Als dann im Lau­fe des Vor­mit­tags Judith Püh­rin­ger und Leo­no­re Gewess­ler fast zeit­gleich ein­tru­deln, umrun­de ich mit ihnen und ande­ren wie Bern­hard Seitz, den Kar­me­li­ter­markt. Anschlie­ßend spre­che ich kurz mit Sel­ma Ara­po­vic von den NEOS. Irgend­wie mer­ke ich, dass im Tru­bel des letz­ten Tages vor der Wahl, auch heu­te nicht der Zeit­punkt ist, die zwei Geschen­ke vom Vor­tag näher zu erläu­tern. Leo­no­re Gewess­ler muss zur nächs­ten Wahl­kampf­ak­ti­on.

Und nun sprin­gen wir gleich zum fina­len Wahl­tag, dem 27. April, 1. Sonn­tag nach Ostern. Bevor ich zur Grü­nen Wahl­par­ty in einer Lager­hal­le in der Braue­rei Otta­kring  kom­me, sei­en zwei kur­ze Erleb­nis­se erwähnt. Um kurz vor 10 Uhr vor­mit­tags mach­te ich mich an die­sem Sonn­tag auf in die Pfar­re Neu­er­dberg zu einem im Inter­net so ange­kün­dig­ten auf ORF III live über­tra­ge­nen Got­tes­dienst. Aber kaum betre­te ich die Kir­che, sind da weit und breit kei­ne Kame­ras. Ich wer­de auf­ge­klärt durch einen Kirch­be­su­cher, den ich fra­ge, der Got­tes­dienst sei bereits eine Stun­de vor­her auf­ge­zeich­net wor­den.

Das zwei­te Erleb­nis war im Haus der Geschich­te Öster­reich am frü­hen Nach­mit­tag, bei einer Füh­rung über das Ende des Zwei­ten Welt­kriegs. Es war span­nend, zu erfah­ren, dass der Wider­stand gegen­über den Alli­ier­ten nicht über­all in Öster­reich zum sel­ben Zeit­punkt auf­ge­hört hat­te.

Schließ­lich die Grü­nen Wahl­par­ty in der Braue­rei Otta­kring:

Ich kom­me pünkt­lich um 15:30 Uhr dort an und bin einer der ers­ten. Die Namen all jener mehr oder weni­ger bekann­ten Gesich­ter zu zitie­ren, wür­de den Rah­men spren­gen. Dann ist alles ein Stück­werk: Erst kurz nach 17 Uhr die ers­te Trend­pro­gno­se, die ers­te Hoch­rech­nung gar erst gegen 19 Uhr extrem spät. Und: auch die Anwe­sen­heit von pro­mi­nen­ten Grü­nen pas­siert stü­ckerl­weis. Um kurz nach 17 Uhr erscheint der Grü­ne Klub­ob­mann in Gemein­de­rat und Land­tag, David Ellen­sohn. Um kurz nach 19 Uhr dann auch das stei­ri­sche Duo Wer­ner Kog­ler, noch amtie­ren­der Grü­ner Bun­des­spre­cher, sowie sei­ne desi­gnier­te Nach­fol­ge­rin Gewess­ler. Auf­grund des uner­war­tet posi­ti­ven Ergeb­nis­ses von 14,52% ist die Stim­mung ful­mi­nant. Und gip­felt dann, als auch die Grü­ne Spit­zen­kan­di­da­tin Judith Püh­rin­ger spät­abends ein­trifft. Der Rest ist ein Fest in Grün, das bis zum „bit­te­ren Ende“ um 2:30 Uhr, also ins­ge­samt elf Stun­den, andau­ert.

Abschlie­ßend noch eine kri­ti­sche Anmer­kung: Es war 2:30 Uhr nachts; nie­mand sprach mich an, wie kom­me ich nach­hau­se, wo nur die Nacht­bus­li­ni­en fuh­ren. Nie­mand bot sich an, mich mit­zu­neh­men. Im Gegen­teil: Als ich ver­such­te, mir ein Taxi zu neh­men, in das sich zuvor meh­re­re Teil­neh­me­rIn­nen der Wahl­fe­te gesetzt hat­ten, hieß es, dies sei bereits voll. In Erin­ne­rung blei­ben vie­le erstaun­li­che Wahl­kampf-Momen­te. Und natür­lich die Bom­ben­stim­mung; das Wahl­er­geb­nis, das nicht zu erwar­ten gewe­sen war.